Primat der Politik?
In der europäischen Schulden- und Finanzkrise, die in ihr drittes Jahr geht, sind Rezepte nicht gerade Mangelware und Schuldige schon gar nicht. Dennoch ist bislang weder geheilt noch geholfen worden, noch sitzen Verantwortliche nicht hinter Gittern. Außer ein paar Bauernopfern und Rücktritten hat es kaum etwas gegeben und vieles wabert nebelhaft durch die Medien und die Expertenrunden. Noch immer ist die Frage nicht beantwortet, wie die Eurozone den Spagat zwischen Sparen und Wirtschaftswachstum schaffen soll.
In der europäischen Schulden- und Finanzkrise, die in ihr drittes Jahr geht, sind Rezepte nicht gerade Mangelware und Schuldige schon gar nicht. Dennoch ist bislang weder geheilt noch geholfen worden, noch sitzen Verantwortliche nicht hinter Gittern. Außer ein paar Bauernopfern und Rücktritten hat es kaum etwas gegeben und vieles wabert nebelhaft durch die Medien und die Expertenrunden. Noch immer ist die Frage nicht beantwortet, wie die Eurozone den Spagat zwischen Sparen und Wirtschaftswachstum schaffen soll.
Für Länder wie Griechenland, Spanien und Italien ist die Frage allerdings beantwortet: Es ist nicht zu schaffen. Es herrscht Rezession und sie wird auf absehbare Zeit der Normalfall sein. Selbst wenn sich diese Volkswirtschaften erholen sollten und mirakulös neue Geschäftsfelder innovativer Natur erschießen könnten: Es wird Jahre dauern, bis sich dort Erträge zeigen. Zu allem Unglück ist ein derartiges Fortschrittsdenken nirgendwo zu sehen. Die Mühen der Politik beschränken sich darauf, nach Schuldigen zu suchen. Man findet sie in den jeweils anderen Partnerländern der Eurozone, kritisiert beispielsweise vorwiegend Deutschland für seine Exporterfolge, statt selbst in dieser Richtung aktiv zu werden. Denn längst lebt das Land nicht mehr von dem traditionellen Standbein Ausfuhrindustrie. Fast unerwartet hat sich der Binnenkonsum zu einer ebenfalls tragenden Säule entwickelt und der Arbeitsmarkt stützt das Ganze – ein Wohlstandskarussell, von dem so schnell niemand herunterfliegt, während es fast alle übrigen Euro-Länder 2012 ziemlich aus der Kurve tragen wird. Guter Rat mag teuer sein, er ist aber vorhanden. Angesichts drohender Widerstände der jeweiligen Bevölkerung scheuen die Verantwortlichen nur heftig davor zurück, das Richtige zu tun. Was zu der Frage führt, ob die aus dem Zorn über die anonymen Finanzmärkte geborene Forderung nach einem Primat der Politik über die Marktkräfte so klug und zielführend ist. Mal abgesehen davon, dass die Politik bereits das Sagen hat, Gesetze verabschieden kann und sich notfalls auch gegen internationale Finanzkonzerne behaupten könnte, wenn sie nur wollte, und der Staat ohnehin schon jeden zweiten erwirtschafteten Euro für sich beansprucht – man kann im täglichen Politikgeschehen ganz gut beobachten, dass Maß und Verstand dort nicht notgedrungen zu Hause sind. Wenn ein Bundespräsident wirtschaftlichen Sachverstand zuvörderst dort beweist, wo es um den persönlichen Vorteil geht und er ein Schnäppchen machen kann, das sich auf dem Grabbeltisch vor dem Normalbürger nicht findet, und er dies auch noch für normal hält, dann entsteht nicht zwangsläufig das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit seiner Klasse, die ihn ja stützt und entschuldigt. Wenn die Politik in der Vergangenheit den Käufern ihrer Schuldverschreibungen Sicherheit vorgaukelte und keine Rücklagen der Banken für das Halten von Staatsanleihen forderte, dann war das zumindest leichtfertig und blauäugig. Den Banken dann anschließend beim Wertverfall jener Anleihen aber Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen ist schon frech. Ehe man das unbedingte Primat der Politik und des Staates fordert, sollte man noch mal nachdenken.