Ruhe ist der Bürgerwille
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat, unweit eines selbst so gern Drehkreuz sein wollenden Flughafens, die Rhein-Main-Region mit ihrem internationalen Flugbetrieb zu beruhigen versucht. Nachts darf nicht mehr gestartet oder gelandet werden, zumindest nicht planmäßig. Das sind aus Sicht der umliegenden Gemeinden gute Nachrichten gewesen in der vorösterlichen Zeit. Es sei denn, bei den Bewohnern der Gegend rund um den Frankfurter Flughafen handelt es sich um Mitarbeiter von Fraport oder der Lufthansa.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat, unweit eines selbst so gern Drehkreuz sein wollenden Flughafens, die Rhein-Main-Region mit ihrem internationalen Flugbetrieb zu beruhigen versucht. Nachts darf nicht mehr gestartet oder gelandet werden, zumindest nicht planmäßig. Das sind aus Sicht der umliegenden Gemeinden gute Nachrichten gewesen in der vorösterlichen Zeit. Es sei denn, bei den Bewohnern der Gegend rund um den Frankfurter Flughafen handelt es sich um Mitarbeiter von Fraport oder der Lufthansa.
In deren Brust wohnen mindestens zwei Seelen, und deshalb haben unlängst auch viele von ihnen für den Ausbau des Flughafens demonstriert. Am Beispiel des Dauerstreits um das Drehkreuz Frankfurt lässt sich ein Mikrokosmos der menschlichen Konflikte in einer entwickelten, hoch industrialisierten Gesellschaft beobachten. Die Zielvorstellungen passen in krasser Form nicht zusammen. Es ist, keine Frage, für die Bewohner solcher Orte wie Flörsheim am Main oder auch der südlich gelegenen Gemeinden eine stetige Belastung, die startenden und landenden Maschinen über das Haus dröhnen zu hören und zu spüren. Allerdings: Seit den dreißiger Jahren herrscht dort Flugverkehr; man konnte bei einem Hauskauf zumindest ahnen, dass es nicht werden würde wie in der Lüneburger Heide. Das spiegelte sich auch in den Immobilienpreisen – ganz untypisch für Rhein-Main herrschen hier bezahlbare Angebote vor. Das also ist schon mal die erste Entscheidung: Kleine Wohnung weiter weg oder eigenes Haus nahe der Startbahn? Schließlich das Arbeitsplatzangebot: Hunderttausende sind direkt oder indirekt aufgrund des Flughafens dort. Eine beschaulichere Umgebung wäre auch eine ärmere. Das günstige Haus zu behalten, einen guten Job zu haben und gleichzeitig das Murmeln des Bächleins im nahen Walde – nicht zu haben. Schließlich die Rolle des Konsumenten: Günstige Produkte aus aller Welt, frische Lebensmittel außerhalb der örtlichen Anbauzeiten – das alles geht nur mit den Frachtfliegern, die auf ihren Routen rund um die Welt keine örtlichen Uhrzeiten kennen. Einige dieser Flüge werden nun verlegt, was entweder bedeutet, dass von einem abgelegenen Flugfeld hohes Lkw-Verkehrsaufkommen generiert wird oder aber die Anwohner etwa der Region Köln-Bonn den Ärger bekommen, den ihre Frankfurter Mitbürger gerade bekämpft haben. Was offenbart sich noch? Der Konflikt zwischen Normalbürgern und Wohlhabenden. Letzteren unterstellt man gern, dass sie in abgeschiedenen Taunusvillen residieren und ihre Gemeinden es gut verstehen, Anflugrouten möglichst weit weg zu verschieben. Was die Deutsche Flugsicherung von sich weist und nun alles mögliche Technische versuchen will, die Chose insgesamt leiser zu machen. Und dann wären da noch die Aktionäre von Fraport und Lufthansa, die nach der Gerichtsentscheidung plötzlich mal bis zu fünf Prozent ihres Aktienvermögens einbüßten. Und sich nur damit trösten konnten, dass immerhin die milliardenteure neue Landebahn nicht wieder in Wald und Flur zurückverwandelt werden muss. Wobei beim Bau hunderte Millionen in Umsiedlung kleiner freundlicher Tiere geflossen waren, aber das ist ein anderes Thema. Zu lernen ist aus alledem: Völligen Interessenausgleich kann es in einer komplexen Gesellschaft nicht mehr geben. Ein bürgernahes Entwicklungsverfahren („Mediation“) hilft, verhindert aber Prozesse nicht. Das alles dauert eine Ewigkeit, und alle sind am Ende mehr oder weniger bedient. Dies scheint der Preis des inneren Friedens zu sein.