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Schmierenkomödie

Das Hickhack um den Rückzug Axel Webers von der Bundesbankspitze ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Wo leben wir eigentlich? Beleidigte Leberwürste wohin man blickt. Der Bundespräsident und nun der Bundesbankpräsident – das sind zwei Positionen in diesem Land, denen ein Hauch von Ehre anhaftet, den es nicht noch einmal gibt. Horst Köhler, tief verletzt, wirft das Handtuch – Professor Weber, mangelhaft unterstützt von der Politik, ebenso.

BÖRSE am Sonntag

Das Hickhack um den Rückzug Axel Webers von der Bundesbankspitze ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Wo leben wir eigentlich? Beleidigte Leberwürste wohin man blickt. Der Bundespräsident und nun der Bundesbankpräsident – das sind zwei Positionen in diesem Land, denen ein Hauch von Ehre anhaftet, den es nicht noch einmal gibt. Horst Köhler, tief verletzt, wirft das Handtuch – Professor Weber, mangelhaft unterstützt von der Politik, ebenso.

Der 53jährige Geldpolitiker gibt auf, weil sein Name für die EZB-Spitze gehandelt wurde und zunehmend andere ins Spiel gebracht wurden. Rätselhaft bleibt die Rolle der Bundeskanzlerin. Ihr sind schon so viele potenzielle Mitstreiter von der Fahne gegangen, dass es nicht mehr schön anzusehen ist. Eine Schmierenkomödie um die Deutsche Bundesbank war das Letzte, was man nun gebraucht hat. So verspielt man Vertrauen. Mitten in der Schuldenkrise einiger Euro-Mitgliedsländer wird eine Institution beschädigt, der ihr Kenner David Marsh einst bescheinigte, dass zwar nicht alle Deutschen an Gott, wohl aber an die Bundesbank glauben. Zurück zur Bundeskanzlerin: Es scheint das Schicksal unbedingter Machtpolitiker zu sein, am Ende ziemlich allein dazustehen. Der Triumph über Konkurrenten trägt aber den Keim des Scheiterns in sich. Wenn es einsam wird an der Spitze, naht die Stunde des Niedergangs, denn Konkurrenz belebt auch in der Politik das Geschäft und Beratung hat man auch nötig, wenn man ganz oben angekommen ist. Nur – wer Berater haben möchte, der muss auch zuhören können. Und wer keine möchte, ist gewiss nicht gut beraten. Das Kommunikationsdesaster um den Abschied des Bundesbankpräsidenten jedenfalls lässt auf fehlende Beratung schließen oder, schlimmer noch, auf Falschberatung. Deutschland jedenfalls, als Hauptzahler für die Versäumnisse und Schlampereien in der Währungsunion, hätte einen besseren Auftritt nötig und verdient. Der Anspruch auf den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank wirkt so jedenfalls ziemlich brüchig. Wenn man einen Posten besetzen will, jedoch krampfhaft erst nach Kandidaten suchen muss, ist das „nur noch peinlich“ – so überschrieb die renommierte „Börsen-Zeitung“ ihren Leitartikel zum Thema. Aber vielleicht ist das alles ja Zeichen wahrer Größe: Wir sind so unabhängig und so unangreifbar, dass wir uns ungestraft sogar dilettantische Politik und merkwürdige Politiker leisten können. Aber das ist ja keine wirkliche Neuigkeit.