Teures Stöffchen
Die Wallung ist stets beträchtlich, wenn es um Super, Diesel und verwandte Stoffe geht. So war es nicht nur beim allenfalls gut gemeinten, aber nicht guten Versuch, den Autofahrern einen Sprit mit verdoppeltem Ethanolanteil zu verkaufen, unter gleichzeitiger indirekter Preiserhöhung des herkömmlichen Superbenzins. Es wurde nicht ganz klar, wo denn eigentlich die verträgliche Menge von Ethanol im Sprit liegt – sind es 5%, wie schon lange käuflich, oder 7%, wie es ebenfalls vorkommt, oder doch 10%, wie die neue Produktgruppe es haben sollte? Geschenkt, wir werden es nie erfahren.
Dass ein höherer Bioethanolanteil die Leistung vermindert, wurde hingegen zugegeben, allerdings gab es keinen Konsens, um wie viel eigentlich. In einer Welt, in der fast alles messbar und beweisbar ist, schon seltsam. Nun aber geht es wieder um die ganz alltäglichen und seit Jahrzehnten bekannten Aufreger: die Raffgier der Mineralölkonzerne, die Abzocke an den Tankstellen und das seltsame Missverhältnis zwischen Rohölpreis und Benzinkosten an der Säule. Bekannt ist mittlerweile, dass Tankstellen mehr an Snacks verdienen als am weniger verdaulichen Stoff aus der Raffinerie. Weshalb viele Zapfstellen eher Kaufhäusern ähneln – manche machen den Eindruck, dass man dort über Verbrennungsmotoren schon nicht mehr viel weiß. Der freundliche Tankwart mit Öllappen und Hebebühne – wo gibt es den noch? Was nicht bedeutet, dass mit Selbstbedienung auch die Preise günstiger geworden sind. Und die Kaufhausartikel kosten auch eher so viel wie in der sprichwörtlichen Apotheke. Die Mineralölkonzerne dürfte das freuen, brauchen sie sich doch um die Margen ihrer Pächter keine großen Sorgen zu machen. Sie selbst klagen natürlich auch, verdienen aber zumindest an der (Öl-)Quelle ganz ordentlich. Die Geschäftsberichte von Shell, BP und Konsorten lassen keine reine Not erkennen, und wenn man, wie BP, eine Jahrhundertkatastrophe wie die Ölpest im Golf von Mexiko locker wegstecken kann, dann ist Mitleid nicht angebracht. Schließlich ist der Staat hin- und hergerissen: Zum einen darf er die Volksseele nicht überkochen lassen. Zum anderen verdient er an jeder Preisrunde mit: Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer obendrauf – das ist ein hübsches Geschäft. Und da viele in unserer Lebenswelt schlicht nicht ausweichen können und Energie alles ist, gibt es auch kaum die Gefahr von Käuferstreiks. Eine neue Dimension bei der ganzen Sache ist die Elektronik und Vernetzung: Dank fast sekündlich möglicher Preisanpassungen und Realtime-Marktbeobachtung unter den „Konkurrenten“ erübrigt sich ein Hinterzimmerkartell. Die früher aggressiv als Preisbrecher agierende Jet (Conoco) hat sich ebenfalls angewöhnt, immer haargenau einen Cent günstiger zu sein als Aral oder Shell. Manchmal ändert sich der Preis an der Tankstelle 100 Meter im Rücken schon, während man zur nächstgelegenen billigeren fährt – die dann ihrerseits ein paar Minuten lang die Teure ist. Es hat was von Zocken oder Lotto. Einzige Hoffnung: Einige Online-Apps auf dem Smartphone werden immer besser und spiegeln die Preise schon fast in Echtzeit – das kann man zum Navigieren nutzen. Bis den Konzernen neue Gimmicks einfallen.