Trümmerfeld
<sup>Die Deutsche Bank trotzt der Versuchung. Sich mit einer 800-Mio.-Abfindung aus der Gerichtsaffäre Kirch zu ziehen, dazu fehlte die Bereitschaft und der Stolz mag auch noch im Wege gestanden haben. Der verstorbene Medienmogul, der spektakulär scheiterte, suchte bis zu seinem Lebensende nach Schuldigen für seine Pleite – und die Deutsche Bank kam ihm da gerade recht, hatte sie doch in Gestalt ihres Vorstandsvorsitzenden Rolf E. Breuer in einem Interview seine Bonität, wie er es sah, in Zweifel gezogen.</sup>
Die Deutsche Bank trotzt der Versuchung. Sich mit einer 800-Mio.-Abfindung aus der Gerichtsaffäre Kirch zu ziehen, dazu fehlte die Bereitschaft und der Stolz mag auch noch im Wege gestanden haben. Der verstorbene Medienmogul, der spektakulär scheiterte, suchte bis zu seinem Lebensende nach Schuldigen für seine Pleite – und die Deutsche Bank kam ihm da gerade recht, hatte sie doch in Gestalt ihres Vorstandsvorsitzenden Rolf E. Breuer in einem Interview seine Bonität, wie er es sah, in Zweifel gezogen.
„Was alles man darüber lesen oder hören kann“, hatte Breuer geäußert, „sei die Bankenwelt wohl momentan nicht willens, dem Kirch-Imperium weiteres Geld zu leihen.“ Das war vorsichtig formuliert und man konnte es zu jenem Zeitpunkt Anfang 2002 auch tatsächlich lesen und hören. Nur hatte ein Interview des Chefs der Deutschen Bank natürlich einen ganz anderen Hintergrund als ein bloßer Artikel in einer Zeitung oder ein Kommentar im Radio. Ehe man ein Wirtschaftsblatt verklagt, das sich notfalls auf die durchaus weitreichenden Rechte der Presse beruft, ist der Geschäftspartner in Gestalt einer mächtigen Bank doch ein lohnenderes Ziel. Das Interview also brachte alles ins Rollen. Es wurde geführt in New York, gegenüber vom Hotel Waldorf Astoria, in welchem zu jener Zeit das World Economic Forum (WEF) stattfand, das ausnahmsweise seinen Stammsitz Davos verlassen hatte, um den New Yorkern nach den Anschlägen im September 2001 Solidarität zu erweisen und die eine oder andere Million dort zu verbrauchen. Breuer hatte sich mit mehreren Fernsehteams verabredet und während die meisten Fragen zum WEF stellten, deckten die Bloomberg-Journalisten gleich eine ganze Palette von Themen ab, die mit New York nichts zu tun hatten – so kam es zu der Bemerkung über den fernen Kirch und seine Probleme. Am 18. April nun geht es also in München weiter – Breuer ist inzwischen 74, bereut vermutlich keineswegs seine Aussage, wohl aber, dass sie ihn zehn Jahre lang beschäftigt, und nicht nur ihn. Die Deutsche Bank unter ihrem heutigen Vorstandschef Ackermann und dem künftigen Führungsduo Fitschen und Jain wird den Ball ins nächste, das zehnte Jahr des Prozesses tragen. Die Weigerung, dem Vergleich zuzustimmen, dürfte nicht nur mit der damit zwischen den Zeilen verbundenen Teilschuldanerkenntnis zu tun haben. Sondern auch mit der Tatsache, dass möglicherweise weitere Schadensersatzklagen gedroht hätten, von eigenen Aktionären zum Beispiel. Sollte die Deutsche Bank vollständig siegen, wäre das der ideale Ausgang für die Frankfurter, und den halten sie weiterhin für möglich. Zumal die Kirch-Seite in den USA, dem Mutterland grotesker Schadensersatzurteile, schon den Kürzeren gezogen hat. Der amerikanische Richter sah keinen Anhaltspunkt für falsche Behauptungen in dem Interview. So also wird es wohl zu einem Urteil von höchster Instanz kommen, was zur Klärung einer wichtigen Frage der Meinungsfreiheit wichtig ist und bei einem Vergleich ungeklärt geblieben wäre. Denn das Interview, das in deutschen Unternehmen aufmerksam beobachtet wurde, hat mit Sicherheit manchen Konzernlenker so vorsichtig werden lassen, dass er nun gar nichts mehr sagt, was irgendwie gehaltvoll oder gar umstritten wäre. Den Medien ist dies ein Bärendienst gewesen, denn mit nichtssagenden Äußerungen sind sie bis zum Überdruss bereits versorgt: Der Anwalt steht stets daneben, wenn ein wichtiges Thema Gegenstand eines Gesprächs werden soll. Niemand darf beleidigt, sein Geschäft nicht in Grund und Boden geredet werden, aber eine pointierte Meinung sollte man haben und in der Öffentlichkeit auch äußern dürfen.