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Unsicherheit als Konzept

Viel wird, natürlich, in Davos über die neue Unsicherheit in der Weltwirtschaft gesprochen. Beim heute zu Ende gehenden World Economic Forum waren, wie jedes Jahr, die führenden Manager global operierender Unternehmen vertreten, die einst Ehrfurcht hervorriefen bei den Zaungästen des Forums. Das war diesmal anders. Fast scheint es, als hätten sie die Unsicherheit zum Geschäftskonzept erhoben.

BÖRSE am Sonntag

Man ist fast schon stolz darauf, nicht genau zu wissen, wie es weitergehen soll: Wann die Krise zu Ende sein wird, wie schwer sie noch wird und was danach kommen soll – keine Ahnung, heißt es. Das ist umso auffälliger, als die gleichen Manager bisher stets den Wintersportort in den Schweizer Bergen dazu nutzten, Selbstdarstellung zu betreiben. Die Technologiefirmen taten sich hervor mit wilden Utopien, die Banken schwebten fast über dem Boden vor Bedeutsamkeit, und die Industrie stellte sich als diejenige dar, die die ganze Weltwirtschaft am Laufen hält. Die Zeiten sind vorbei. Zwar heißt es, dass die anwesende Elite immer noch rund 80 Prozent aller auf der Welt erzeugten Leistungen und Güter repräsentiert – was eine beeindruckende Ansammlung von Macht auf wenigen gebirgigen Quadratkilometern darstellt. Aber sie stellen die Macht nicht mehr zur Schau. Es ist, als habe man sich kindischerweise beim Spielen etwas dumm angestellt und suche nun nach Verzeihung bei Mutter Politik. Das wäre an sich nichts Schlechtes, wenn das Pendel nun nicht nur in die Gegenrichtung ausschlagen würde. Natürlich hätte man in den vergangenen Jahren gern ein wenig Unterwerfung unter politische und staatliche Regulierung gesehen und weniger giergetriebene Großmannssucht. Aber dass die Politik nun komplett das Ruder übernehmen soll, macht doch ein wenig unsicher. Denn einige Dinge gelten doch wohl weiterhin und dazu gehört, dass Politiker nicht dazu geschaffen sind, die Weltwirtschaft zu steuern. Oder Banken. Oder Exportindustrie. Sie könnten aber leicht den Glauben entwickeln, dass sie dazu berufen sind. Statt eines vernünftigen Mittelweges droht nun eben das andere ungute Extrem. Wenn dann erst einmal Protektionismus auf der Agenda auftaucht, wenn populistisch Wirtschaft betrieben wird, weil irgendwo immer Wahlen vor der Tür stehen, wenn jahrelange Verhandlungsrunden jeder internationalen Entscheidung vorausgehen, dann haben wir den Salat. Ob Politiker zudem wirklich so wichtige Dinge regeln können, wie den Erhalt von Arbeitsplätzen sollte nach den vielen bekannten Gegenbeispielen doch wohl sehr fraglich sein. Die Manager hingegen sollten mal die Klarheit praktizieren, die ihren Job auszeichnet: Entscheidungsfähigkeit zeigen, Verantwortung übernehmen. Dann hätte man in Davos nicht so viele verschämte „ich-weiß-nichts“ gehört, sondern die eine oder andere klar formulierte Entschuldigung, verbunden mit ebenso klaren Zielsetzungen für die Zukunft. Was nicht zuletzt auch der Börse gut bekommen wäre, wo man Klarheit eher schätzt, und sei es auch eine schlimme Gewissheit. Das ist bei Weitem besser als ein Herumeiern. Schließlich geht die krisenhafte Unsicherheit unserer Zeit auch mal vorbei – und dann wird man beurteilen können, welche Unternehmenslenker sich klug positioniert haben und auch in der Epoche der Unsicherheit sicher auftreten konnten.