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Vive la Chance!

Die Gipfelbeschlüsse der vergangenen Woche haben nach der üblichen, jeweils gern zur Dramatisierung genutzten Nachtschicht vom Mittwoch die Aktienmärkte zu Höhenflügen animiert und dem Euro auf die Sprünge geholfen.

BÖRSE am Sonntag

Die Gipfelbeschlüsse der vergangenen Woche haben nach der üblichen, jeweils gern zur Dramatisierung genutzten Nachtschicht vom Mittwoch die Aktienmärkte zu Höhenflügen animiert und dem Euro auf die Sprünge geholfen.

Griechenland ist zumindest vorerst etwas aus der Schusslinie geraten, auch wenn bezweifelt werden darf, dass der Schuldenschnitt für lange Zeit der letzte gewesen sein soll: Selbst das Ziel, eines fernen Tages 120% Schuldenstand bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt zu erreichen, mutet nicht wirklich sensationell an. Bei einem ähnlichen Schuldenstand heute ist Italien ein anerkannter Wackelkandidat und bei einem solchen Wert galt Belgien vor Jahr und Tag als kranker Mann der Eurozone. Nun hat der Rettungsschirm mit seiner mutmaßlich auf 1 Bio. gehebelten Geldmacht zwar mehr Geschütze, aber woher die Munition kommen soll, das wird entscheidend sein. Als Lieferanten gelten die Schwergewichte Deutschland und Frankreich. Deren eines auf bröckelndem Grund steht: die Grande Nation. Die ist vielfältigen Gefährdungen ausgesetzt. Die Verzweiflungstat des Präsidenten, der nächtens nach Frankfurt eilte und in der Alten Oper auftrat wie einst Heinrich in Canossa, nur um den Euro-Rettungsfonds als Bank zu etablieren, war schon seltsam. Dass er damit Geld aus der EZB für sein gebeuteltes Bankwesen herausholen wollte, konnte jeder sehen, der Augen hat. Als das nicht klappte, gelang ihm zumindest in Brüssel die Durchsetzung eines Hebels für den Fonds. Hintergedanke: Wenn der stark genug auftritt, um auch Italien aus dem Feuer zu holen, dann lassen die Märkte und Rating-Agenturen vielleicht auch von Paris ab. Vive la Chance! Die französischen Banken beeilten sich nach dem Gipfel, ihren zusätzlichen Geldbedarf nach dem Schuldenschnitt für Griechenland zu verharmlosen: Hatte man bisher vermutet, dass insgesamt 50 Mrd. Euro frisches Kapital vonnöten wären, um die Lücken in den Bilanzen zu stopfen, so sollen es bei den Großbanken nur noch 10 Mrd. sein, inklusive der maroden Dexia, die allerdings auch schon einen Haufen Garantien bekommen hat. Zum Glück gibt es ja den kurzen Draht des französischen Zentralstaats in die Topetagen der Banken! Gleichzeitig belässt die Regierung ihre Wachstumserwartungen einstweilen bei irrealen 1,75% (Experten erwarten 0,9%) und baut darauf den Haushalt 2012 auf. Der Präsidentschaftswahlkampf hat schließlich begonnen. Der konservative Sarkozy nutzte daher die Gunst des Gipfels, um sich am Donnerstag handverlesenen Journalisten zu stellen, die ihm Gelegenheit gaben, seine entscheidende Führungsrolle in Brüssel herauszustreichen. Nun ja, die Deutschen haben auch ein bisschen mitgewirkt. Konkrete Maßnahmen allerdings wollte der Präsident nicht verkünden, allenfalls ein Häppchen Reichensteuer und ein wenig Reform hier und da. Zukunftsweisendes hatte er nicht im Gepäck. Es könnte allerdings angesichts der rasanten Entwicklungen an den Finanzmärkten ein frommer Wunsch bleiben, dass sich der Präsident bis zur Wahl durchhangeln kann. Sollte Frankreich nach dem Jahreswechsel tatsächlich herabgestuft werden, wäre die nächste Katastrophe da. Für Deutschland, das einen zahlenden Partner verlöre, auch keine schöne Aussicht.