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Wem die Stunde schlägt

Dem Glücklichen schlägt keine Stunde, heißt es – aber in unserer Zeit überhört auch der Unglückliche geflissentlich jeglichen Hinweis darauf, was die erbarmungslos tickende Uhr so anzeigt. Anders kann man das Verhalten der politisch und auch wirtschaftlich Verantwortlichen in den derzeit entscheidenden Mitgliedsländern der Eurozone gar nicht verstehen. Kurz vor den Parlamentswahlen in Frankreich und der Wahl in Griechenland, die einem Plebiszit über den Sanierungskurs des Landes (wann sollte der eigentlich noch gleich beginnen?) gleichkommt, ergehen sich die Mandatsträger in Deutschland und Frankreich, den beiden bedeutendsten Volkswirtschaften, in kleinlichen Scharmützeln und werfen ihre Truppen auf Nebenkriegsschauplätze, dass einem der Atem stockt.

BÖRSE am Sonntag

Dem Glücklichen schlägt keine Stunde, heißt es – aber in unserer Zeit überhört auch der Unglückliche geflissentlich jeglichen Hinweis darauf, was die erbarmungslos tickende Uhr so anzeigt. Anders kann man das Verhalten der politisch und auch wirtschaftlich Verantwortlichen in den derzeit entscheidenden Mitgliedsländern der Eurozone gar nicht verstehen. Kurz vor den Parlamentswahlen in Frankreich und der Wahl in Griechenland, die einem Plebiszit über den Sanierungskurs des Landes (wann sollte der eigentlich noch gleich beginnen?) gleichkommt, ergehen sich die Mandatsträger in Deutschland und Frankreich, den beiden bedeutendsten Volkswirtschaften, in kleinlichen Scharmützeln und werfen ihre Truppen auf Nebenkriegsschauplätze, dass einem der Atem stockt.

In Frankreich scheint eine größere Sorge darin zu bestehen, dass Top-Manager staatlich kontrollierter Unternehmen (gibt es auch andere?) zu viel verdienen könnten. Die Regierung beschäftigt sich intensiv mit einer Begrenzung. In Deutschland läuft die x-te Folge der großen Betreuungsgeld-Saga, diesmal: Bundestag will lesen, kann aber nicht – stell dir vor, es ist Betreuungsgeld und keiner geht hin ... Außerdem im Fokus: weiterhin Pkw-Maut, Fußball-EM und ukrainische Willkürherrschaft. Unter „ferner liefen ...“ allerdings gibt es noch folgende News: Die europäischen Banken werden eine nach der anderen auf der Bonitätsskala nach unten durchgereicht.

Die Besitzer nennenswerter Guthaben in den südeuropäischen Ländern beschleunigen ihre Umschichtung von Euro-Besitz in befreundete Nachbarstaaten; das ist längst nicht mehr nur griechische Millionärssitte, sondern auch spanische und italienische. Was zu weiteren Bankenabwertungen führt. Der französische Staatspräsident hat, wenn er nicht gerade Manager triezt oder seine irrlichternde Freundin einzufangen versucht, noch einen wertvollen guten Rat für die Griechen: „Wählt bloß das Richtige! Wäre sonst doch schade.“ Derweil verabschieden sich große Unternehmen von ihren griechischen Töchtern – Carrefour beispielsweise schließt seine Supermärkte in Griechenland und schreibt die Millionenverluste ab – wer weiß auch schon, was die Griechen nächste Woche noch einkaufen können. Das muss im Land selbst schon aussehen wie „rette sich, wer kann“, aber richtiges Mitleid will sich nicht einstellen. Es sieht im Moment danach aus, als würde eine Notoperation an der offenen Eurozone ab Montag die letzte Möglichkeit werden. Die Zentralbanken Europas, ja der G-20-Staaten stehen Gewehr bei Fuß und hoffen, die Unfähigkeit der europäischen Politik mit Geld zuschaufeln zu können.

Was gelingen kann, wenn man seitens der EZB beispielsweise auf die Hinterlegung von Sicherheiten komplett verzichtet und Staatsanleihen der betroffenen Staaten einfach so mal als werthaltig betrachtet. Damit wären wir dann bei der direkten Staatsfinanzierung aller Euro-Länder. Mancher warnt immer noch vor unkalkulierbaren Folgen eines Euro-Zusammenbruchs – aber so richtig kalkulierbar ist die Ausweitung sämtlicher Rettungsschirme ja wohl auch nicht. Man könnte ja mal das Szenario entwickeln, was wäre, wenn Baden-Württemberg von heute auf morgen schlagartig die gesamte Bundesrepublik finanzieren müsste. Viel Spaß dabei.