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Wie im Fluge

Bei der Lufthansa wechseln sich die Gezeiten ab, als sei es nicht eine Fluggesellschaft, sondern ein Schifffahrtsunternehmen. Die Strömungen halten den Konzern auf Trab, der in den letzten Jahren teils anstandslos durch wahre Krisen gesegelt ist, andererseits in augenscheinlich ganz normalen Zeiten plötzlich und unerwartet ins Trudeln geriet.

BÖRSE am Sonntag

Bei der Lufthansa wechseln sich die Gezeiten ab, als sei es nicht eine Fluggesellschaft, sondern ein Schifffahrtsunternehmen. Die Strömungen halten den Konzern auf Trab, der in den letzten Jahren teils anstandslos durch wahre Krisen gesegelt ist, andererseits in augenscheinlich ganz normalen Zeiten plötzlich und unerwartet ins Trudeln geriet.

Fast schon nebenbei baute und schraubte der Vorstand mit wechselhaftem Erfolg an diversen Neuausrichtungen des Unternehmens. Inklusive Übernahmen, dann Abstoßungsprozessen: Die Swissair wurde umbenannt und wieder fein herausgeputzt, die österreichische AUA leidet noch immer und das Kapitel British Midland (BMI) nähert sich einem schmerzlichen Ende. Gleichzeitig geben die Angreifer keine Ruhe, der stolze Kranich soll gerupft werden. Von Billigheimern, die genau genommen gar keine Konkurrenz für die Lufthansa sein sollten, und von aufstrebenden arabischen Airlines mit ganz tiefen Taschen auf der anderen Seite – die scheinbar beliebig Komfort und Luxus steigern können, ohne auch nur mit dem Flügel zu wackeln. Zwischen diesen eisernen Backen einer gnadenlosen Zange muss LH-Chef Christoph Franz auch so etwas werden wie der Mann mit dem Zangengriff. Kostenersparnis ist das Gebot der Stunde, wobei erfahrungsgemäß die unterschiedlichen bei der Lufthansa vertretenen Gewerkschaften schwieriger zu handhaben sind als ein Jumbo mit Übergewicht. Freiwillig wollen die Mitarbeiter nicht in Richtung des Niveaus ihrer geringer bezahlten Kollegen bei anderen Fluggesellschaften gedrückt werden. Eine neue Aufteilung der Strecken zwischen ertragreicheren LH-Linien und weniger lukrativen, die von einer Billigtochter bedient werden, sieht man hier als Spaltung und Ungerechtigkeit. Schließlich wären da noch die Passagiere, die Lufthansa vor allem deswegen die Treue halten, weil sie sprichwörtlich zuverlässig und sicher agiert – noch, so fürchtet man.

Gerade erst musste der Konzern für das erste Quartal einen doppelt so hohen Verlust melden wie 2011 – der Kerosinpreis soll es diesmal gewesen sein. Traum des Unternehmens waren einmal derart satte Renditen, dass die Ölpreise machen konnten, was sie wollten – diese Zeiten sind vorbei. Nun also das Sparprogramm mit Namen „Score“, das zunächst einmal auch Geld kostet, ehe es welches einbringt. Die Jahresprognose, so die Lufthansa in einer Ad-hoc-Mitteilung Mitte der vergangenen Woche, könnte wackeln. Dass das Unternehmen stark im Fokus der Öffentlichkeit steht, macht die Aufgabe nicht leichter. Traditionell ist eine Fluggesellschaft so etwas wie ein nationales Heiligtum, daran hat auch die Liberalisierung, Privatisierung und die neue Konkurrenz im Inland nichts geändert. Die rund 120.000 Lufthansa-Mitarbeiter definieren sich nach wie vor etwas anders als der gewöhnliche Werktätige. Dass sie nun womöglich von Entlassungen bedroht sein sollen, ist im traditionellen Denken ein Skandal. Wie nun also weiter, mit Krieg an allen Fronten? Mit einem in den letzten zwölf Monaten dramatisch abgesunkenen Aktienkurs? Die Lufthansa wird sich komplett neu erfinden müssen, und das geht nicht über sparen allein. Wie sagte Christoph Franz am Mittwoch, seinem Geburtstag? „Der Kranich ist ein zäher Vogel.“ Wollen wir hoffen, dass das mehr bedeutet, als dass er einfach nur ungenießbar ist.