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Euphorie – ein Fremdwort an den Börsenmärkten?

In den USA: Handelskrieg, enttäuschende Daten vom Jobmarkt und sinkendes Verbrauchervertrauen. In Europa: Italien als Schuldensammler, die EU will mit harten Maßnahmen mehr Disziplin einfordern. In der Golf-Region: Militärische Spannungen, mit Auswirkungen auf den Ölpreis. Wohin man auch schaut, Krisen und Konflikte haben die weltweiten Nachrichten fest im Griff. Kein Tag vergeht, ohne dass der negative Nachrichtenstrom die Schlagzeilen füllt. Kein Wunder, dass sich davon auch die Börse nicht freimachen kann, Skepsis allerorten. Torsten Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments, stellt die Frage, ob vor diesem Hintergrund eine Euphorie an den Börsen heutzutage überhaupt noch möglich ist.

BÖRSE am Sonntag

In den USA: Handelskrieg, enttäuschende Daten vom Jobmarkt und sinkendes Verbrauchervertrauen. In Europa: Italien als Schuldensammler, die EU will mit harten Maßnahmen mehr Disziplin einfordern. In der Golf-Region: Militärische Spannungen, mit Auswirkungen auf den Ölpreis. Wohin man auch schaut, Krisen und Konflikte haben die weltweiten Nachrichten fest im Griff. Kein Tag vergeht, ohne dass der negative Nachrichtenstrom die Schlagzeilen füllt. Kein Wunder, dass sich davon auch die Börse nicht freimachen kann, Skepsis allerorten. Torsten Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments, stellt die Frage, ob vor diesem Hintergrund eine Euphorie an den Börsen heutzutage überhaupt noch möglich ist.

Von Torsten Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments

Das Sentiment ist an den Börsen ein wichtiger Indikator. Derzeit herrscht Skepsis, aber das hört sich zunächst negativer an als es tatsächlich ist – gesunde Vorsicht ist allemal besser als blinde Euphorie. Mit bitterem Nachgeschmack erinnert sich manch ein Börsianer noch an die Jahrtausendwende, als das Gros der Anleger die Kurse freudig in den Himmel trieb und mit dem Platzen der Technologieblase abrupt auf dem Boden der Realität aufschlug. Doch ist eine derartig überbordende Anlegerbegeisterung heute überhaupt noch denkbar? Einige Marktbeobachter sind der fatalistischen Ansicht, dass Euphorie in unserer Welt voller Sorgen und Krisen gar nicht mehr möglich ist – zu groß und allgegenwärtig erscheinen die Probleme heutzutage. Andere sind schlicht der Meinung, dass die Aktionäre aus ihren Fehlern von damals gelernt haben. Ist es so einfach? Wohl kaum.

Zuhauf finden sich auch in jüngerer und jüngster Börsengeschichte Beispiele für rauschhaft begeisterte Anlegerstimmung, wenn auch eine Nummer kleiner als zu Zeiten des Internetbooms. Die Themen sind vielseitig und reichen von Cannabis-Aktien bis zur ‚grünen‘ Zukunftstechnologie Wasserstoff. Auch die Cyberwährung Bitcoin erfährt aktuell einen neuen Aufschwung, angefacht durch Facebooks Pläne, seine eigene Kryptowährung Libra aufzulegen. Doch das sind alles Peanuts, verglichen mit dem Börsenhype, den der Fleischersatzhersteller Beyond Meat losgetreten hat. Wenige Wochen nach dem Börseneintritt an der Nasdaq verzeichnete der Konzern eine wahre Kursexplosion. Der Börsenwert hat sich mittlerweile verachtfacht und im ersten Quartal stieg der Umsatz im Jahresvergleich um satte 215 Prozent auf rund 40 Millionen US Dollar. Dass der Verlust um rund 16 Prozent zunahm, störte die Anleger ebenso wenig, wie die Analystenratings, die sämtlich nicht mehr zum Einstieg in die Aktie raten. Wir lernen daraus: Wenn sich die Gelegenheit bietet und neue Modethemen und Trends Einzug am Markt halten, zögern Anleger nicht, zu begeisterten Goldschürfern zu werden. Gerät der Hype-Train dann erst mal ins Rollen, springt ein jeder auf und wird zum überzeugten Aktionär.

Bleiben wir beim Beispiel Beyond Meat: Mainstream-Medien fabulieren vom „Veggie-Wahnsinn“ und „Burgerhype“, was zunächst erstmal die Verbraucher in die Supermärkte treibt. Die große Aufmerksamkeit lässt die Aktie enorm attraktiv wirken, auch auf Anleger, die normalerweise keinen großen Bezug zu den Aktienmärken haben. Erfahrene Anleger wissen: Nun ist Vorsicht geboten, denn an vermeintlich heißen Aktien-Stories kann man sich schnell die Finger verbrennen. Ist die Euphorie am Markt erst einmal entfacht und dabei sich auszubreiten, gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren und die Emotionen zu kontrollieren. Das ist leichter gesagt als getan. Trends wirken anziehend und modern, da rücken rationale Argumente schnell in den Hintergrund. Nicht umsonst bezeichnen Börsenprofis Gier und Angst auch als emotionale Hürden, die Anleger für den langfristigen Erfolg überwinden müssen. Denn genau so schnell wie die Euphorie anfängt, kann sie auch ihr abruptes Ende finden.

Die gute Nachricht für den Moment: Die aktuellen Börsenhypes drehen sich vermehrt um Einzelaktien. Modethemen kommen und gehen, und das ist auch ganz normal. Für langfristig orientierte Anleger gilt weiter die Devise, nicht jedem Hype hinterherzulaufen und gegen die Fear of Missing out (der Angst, etwas zu verpassen) anzukämpfen. Die Hoffnung auf schnelle exorbitante Gewinne hat schon so manchen Aktionär geblendet und ihn vom Weg zum langfristigen Anlageerfolg abgebracht. Rationalität siegt langfristig immer über Begeisterung.