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„2015 werden wahrscheinlich die höchsten Dividenden aller Zeiten ausgeschüttet“

Interview mit Robert Halver: Trotz trister Konjunkturperspektiven befinden sich die europäischen Aktienmärkte im Höhenflug. Erwarten Sie 2015 eine Fortsetzung der liquiditätsgetriebenen Rallye?

BÖRSE am Sonntag

trading kompakt: Trotz trister Konjunkturperspektiven befinden sich die europäischen Aktienmärkte im Höhenflug. Erwarten Sie 2015 eine Fortsetzung der liquiditätsgetriebenen Rallye?

Robert Halver: Die Aktienmärkte der Eurozone haben die Kraft der drei Herzen. Erstens bleibt die europäische Geldpolitik nicht nur ultralocker, sie wird über den wahrscheinlichen Aufkauf von Staatsanleihen sogar noch offensiver und macht damit Alternativanlagen im Zinsbereich noch unattraktiver. Zweitens werden im Rahmen dieser freizügigen Geldpolitik immer mehr Mittel in Form schuldenfinanzierter Konjunkturprogramme bereitgestellt zum Zweck der Euro-Wirtschaftsstimulierung. Drittens erhöhen sich die Margen der Unternehmen über die fortgesetzte Euro-Abwertung und günstige Energiepreise.

Welche europäischen Branchen- oder Länder-Indizes dürften sich mittelfristig besonders gut entwickeln?

An den Aktienmärkten ist die konjunkturelle Stimmung gut. Dies findet Niederschlag in einer relativen Stärke des MDAX – der deutsche Aktienindex mit schwerpunktmäßig konjunktursensitiven Mittelstandswerten – gegenüber dem Leitindex DAX. Diese Entwicklung kann man sogar als validen Frühindikator für die Weltwirtschaft interpretieren. Hierin kommt zum Ausdruck, dass sich diese mit den USA und Asien sowie schuldengetrieben in der Eurozone stabil entwickelt.

Immerhin schätzt der IWF das Weltwirtschaftswachstum für 2015 auf 3,8 nach 3,3 Prozent in diesem Jahr ein. Grundsätzlich haben konjunkturförderliche Phasen niedriger Leitzinsen einen positiven Effekt auf die Wertentwicklung konjunkturzyklischer Aktien. An eine Zinswende in der Eurozone ist nicht zu denken. Insofern ist im nächsten Jahr mit einer Fortsetzung der Outperformance von zyklischen Aktien auszugehen.

Ich präferiere damit unsere typischen deutschen konjunktursensitiven Branchen Autos, Elektro, Chemie, Maschinenbau. Die mit Neuverschuldung betriebene Konjunkturstützung in der Eurozone wird aber auch den Aktienmärkten in Spanien und Italien zugute kommen. Damit kommen diese Märkte zunehmend in den Genuss auch von fundamentalen und nicht nur geldpolitischen Argumenten.

Welche Alternativen gibt es für vorsichtige Anleger, die zurzeit nicht in Aktien investieren wollen?

Von großen Beständen an Zinsvermögen – Sparbuch, Festgeld, Staatspapiere – muss man sich heute wie das Kaninchen von der Schlange fernhalten. Nach Inflation – ich meine die tatsächliche, nicht die geschönte, offizielle – bleibt von den mikroskopisch kleinen Zinsen und Renditen nicht nur nichts mehr übrig, die Zinsanlagen schmelzen wie Eis in der Sonne.

Ich behaupte, dass Zinsen und Renditen nie mehr wirklich ansteigen können, weil sich ansonsten die Existenzfrage der Eurozone stellen würde. Sicherlich ist die Aktienbewertung aktuell sportlich. Aber sind deutsche Aktien mit einem durchschnittlichen KGV von circa 13 wirklich teuer, wenn Staatspapiere mit mehrhundertfacher Bewertung aufwarten?

Dem Aktienrisiko kann man übrigens mit regelmäßigen Ansparplänen in Einzelaktien, Fonds oder ETFs intelligent begegnen. Denn sie haben die Kraft der zwei Herzen. Geht es mit den Aktienkursen nach oben, sind die Anleger vermögender. Geht es nach unten, erhält man für seinen Geldbeitrag mehr Aktienanteile. So kann man langfristig nicht verhindern, reich zu werden.

Und was können Sie denen raten, die nach wie vor auf Aktien setzen?

Kluge Anleger ersetzen den nicht mehr vorhandenen Zinseszinseffekt durch den Dividendendividendeneffekt. Die Attraktivität dieser Anlagestrategie kann man am Beispiel der Deutschen Telekom seit Börseneinführung, gerechnet mit und ohne Wiederanlage der Dividende,  verdeutlichen. Ohne reinvestierte Ausschüttungen hätte sich im gesamten Anlagezeitraum ein Kursverlust von um die 40 Prozent, per anno also 2,9 Prozent ergeben. Mit regelmäßiger Wiederanlage der Ausschüttungen in neuen Telekom-Aktien hätte sich bis heute insgesamt ein Wertzuwachs von über 30 Prozent, per anno 1,5 Prozent, ergeben. Auf diese Weise erwirtschaftet man zumindest ein ordentliches Risikopolster gegen Kursschwankungen.

Das klingt aber doch nach insgesamt guten Chancen für das nächste Jahr?
 
2015 werden in Deutschland wahrscheinlich die höchsten Dividenden aller Zeiten ausgeschüttet. Die Anleger sollten sich nicht arm sparen. Sie sollten ihre persönliche Sparguthabenkrise bekämpfen, indem Sie verstärkt eine nachhaltige Dividendenstrategie umsetzen, gerne auch in Form von Sparplänen.