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Die Unsicherheit ist zurück: Was wird aus der Jahresendrally?

Eine neue Corona-Variante, weniger gute Wirtschaftsdaten als erwartet, eine emporschießende Inflation. Die Märkte bekommen wenig brauchbares für eine saftige Jahresendrally geliefert. Auf was sich Investoren bis Silvester einstellen müssen.

(Foto: Bart Sadowski / Shutterstock)

Eine neue Corona-Variante, weniger gute Wirtschaftsdaten als erwartet, eine emporschießende Inflation. Die Märkte bekommen wenig brauchbares für eine saftige Jahresendrally geliefert. Auf was sich Investoren bis Silvester einstellen müssen.

Von Konstantin Oldenburger, Marktanalyst CMC Markets

Im Rückspiegel betrachtet bot der Black Friday in diesem Jahr Aktien aus aller Welt zum Aktionspreis mit teilweise zehn Prozent und mehr Rabatt auf den heutigen Kurs. Als die Südafrikaner von einer neuen Corona-Variante Omikron berichteten und die Briten ihre Flughäfen für Einreisende aus dem Süden Afrikas sperrten, wurden an der Börse Erinnerungen an den Absturz wach, nachdem nur noch flächendeckende Lockdowns Erfolg gegen die Infektionswelle versprachen und die Wirtschaft dadurch nahezu zum Stillstand kam. Und als dann noch die Impfstoffhersteller davor warnten, Omikron könnte sich dem Schutz entziehen, brachen an der Börse fast alle Dämme und selbst der bis dahin stabile US-Tech-Index Nasdaq kam ins Taumeln.

US-Notenbank gießt Öl ins Feuer

Die negative Stimmung wurde auch dadurch nicht verbessert, dass der US-Notenbankchef Powell die offensichtliche neue Bedrohung des Wirtschaftswachstums fast schon mit einem Achselzucken quittierte. Mehr noch, er dachte laut darüber nach, in der Einschätzung der Inflation das Wort „vorübergehend“ zu streichen und das Tapering vorzeitig zu beenden. Und dann blieb am vergangenen Freitag auch noch der Arbeitsmarktbericht aus den USA weit hinter den Erwartungen zurück. Nach einer stürmischen Handelswoche hat sich das Unwetter nun aber scheinbar schon wieder verzogen, Schönwetterwolken treiben die Leerverkäufer aus ihren Positionen und ein Short Squeeze hievt die Aktienmärkte wieder Richtung ihrer Rekordhochs.

Das letzte Tapering hat dem Aktienmarkt nicht wehgetan

Durchaus vergleichbar ist die aktuelle Entwicklung an der Börse mit der letzten und auch einzigen Tapering-Situation, als die Fed im Januar 2014 die Rückführung des monatlichen Anleihekaufprogramms von damals 85 Milliarden US-Dollar startete und das Programm schließlich im Oktober ganz beendete. Dem tatsächlichen geldpolitischen Kurswechsel gingen damals heftige Turbulenzen an den Anleihemärkten voraus, die den Grundstein für eine massive Erholung der Aktienmärkte bis ins Jahr 2016 hinein legten.

Haussephase startet im November

Aktuell ist der S&P 500 seit Jahresbeginn um fast 23 Prozent gestiegen und hat damit die beste Performance von Januar bis Oktober seit eben diesem Jahr 2013 erzielt. Und im November beginnt statistisch gesehen die Hausseperiode für US-Aktien. Seit 1945 ist der S&P 500 im Zeitraum von November bis April um durchschnittlich fast sieben Prozent gestiegen, die höchste durchschnittliche Veränderung in einer rollierenden Sechsmonatsspanne, verglichen mit einem durchschnittlichen Anstieg von 1,7 Prozent von Mai bis Oktober.

Buy-the-Dip funktioniert scheinbar immer noch

Sämtliche Korrekturen in diesem Jahr, wenn man sie überhaupt so nennen kann, wurden zeitnah wieder aus dem Chart radiert. Selbst der größte Rückgang von Anfang September bis Anfang Oktober von gut fünf Prozent wurde in nur 13 Handelstagen wieder aufgeholt. Der Markt hat die Anleger in diesem Jahr mit jeder Wendung überrascht. Jedes Mal, wenn die Crash-Propheten aus ihren Löchern kamen und den Markt für tot erklärten, setzte die Buy-the-Dip-Mentalität wieder ein. Auch jetzt folgt der Markt bislang zumindest wieder diesem Muster.

Inflation gefährlicher als Zinserhöhung

Zurück zum Jahr 2013: Damals gab es weder eine immer noch in Teilen unbekannte Variable namens Corona, noch das, was man als „unbeständige" Inflation bezeichnet. Daraus jetzt aber den Schluss zu ziehen, dass das bevorstehende Tapering der Fed in Verbindung mit der erneuten Corona-Angst den Aktienmarkt zum Absturz bringen könnte, könnte zu voreilig sein. Denn der Grund, warum die US-Notenbank in der Lage ist, den Fuß vom geldpolitischen Gaspedal zu nehmen, liegt in der Zuversicht, dass die US- und die Weltwirtschaft eine solche Einschränkung der geldpolitischen Lockerung (nicht Straffung) verkraften können. Das heißt, sobald die unmittelbaren Bedenken im Zusammenhang mit dem Tapering ausgeräumt sind, wären die Aktienmärkte theoretisch in der Lage, den Aufwärtstrend wieder aufzunehmen. Auch ist es die genauere und detailliertere Sichtweise der Fed, dass die Inflation eine größere Bedrohung für das Ertragswachstum darstellen könnte als eine eventuelle marginale Erhöhung der Zinsen. Voraussichtlich wird die Teuerung auch im kommenden Jahr auf erhöhtem Niveau bleiben. Aufgrund der technologischen Fortschritte in Sachen Digitalisierung und E-Commerce dürfte dies aber dennoch nicht nachhaltig sein, sodass über kurz oder lang erneut die Technologiewerte, ja auch einige Corona-Gewinner, wieder auf dem Kurszettel der Schnäppchen-Jäger landen könnten, da sie zu den Gewinnern von morgen gehören. Dennoch dürfte die Jahresendrally, sofern sie in diesem Jahr überhaupt stattfindet, eher zu einem Hürdenlauf verkommen.