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EZB warnt: Diese Risiken bedrohen den Euro-Raum

Das Niedrigzinsumfeld mag die Gesamtwirtschaft stützen. Gleichzeitig jedoch steigt die Risikobereitschaft. Das gefährdet die Finanzstabilität. Und damit auch wieder die Gesamtwirtschaft. Gleich aus mehreren Gründen, wie die EZB in ihrem neuen Bericht festhält.

BÖRSE am Sonntag

Das Niedrigzinsumfeld mag die Gesamtwirtschaft stützen. Gleichzeitig jedoch steigt die Risikobereitschaft. Das gefährdet die Finanzstabilität. Und damit auch wieder die Gesamtwirtschaft. Gleich aus mehreren Gründen, wie die EZB in ihrem neuen Bericht festhält.

In gewisser Weise warnen die Währungshüter des Euroraums in ihrem vergangene Woche neu veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht vor sich selbst. Zumindest davor, dem Niedrigzinsumfeld nicht so leichtfertig über den Weg zu trauen, wie es derzeit an mancher Stelle der Fall scheint. Während jenes „die Gesamtwirtschaft stützt, stellen wir auch einen Anstieg der Risikobereitschaft fest, der mittelfristig zu Herausforderungen für die Finanzstabilität führen könnte“, zitiert das Handelsblatt den Vizepräsidenten der EZB, Luis de Guindos. Weiter sagte dieser: „Die Behörden sollten verfügbare Instrumente verwenden, um das Auftreten von Sicherheitslücken zu beheben, sofern dies möglich ist“. Konkret bleiben vier große Herausforderungen. 

1. Aufgeblasene Finanzmärkte

Die niedrigen Zinsen haben das Sparen unattraktiv gemacht. Minuszinsen, die inzwischen von immer mehr Banken an ihre Kunden weitergegeben werden, bestrafen es sogar. Wer sein Geld heute gewinnbringend anlegen will, der muss ins Risiko gehen. Es einfach auf dem Konto liegen lassen oder in langfristige Sparverträge investieren, ist zum Modell von Gestern geworden. Wem Aktien, Immobilien und Co. fremd bleiben, verliert Jahr um Jahr mehr Geld.
Wer dagegen in den vergangenen zehn Jahren in Vermögenswerte investierte, der konnte Renditen einfahren, die der Sparbrief zu seinen besten Zeiten nicht bereithielt. Seit der Euro-Krise sind Aktien wie Unternehmensanleihen stetig und kräftig gestiegen. Des einen Freud, ist des anderen Leid. Es fiele leicht, sich diesem Sprichwort nun zu bedienen. Steht es doch jedem frei, sein Geld in Aktien zu stecken.

Was in den vergangenen Jahren vielleicht noch hat zutreffen mögen, tut dies inzwischen nicht mehr. Die Risiken nämlich sind gestiegen. Die Anzeichen verdichten sich, dass die jüngsten Kurssteigerungen bei Aktien und Anleihen mehr auf die Geldpolitik der Notenbanken, als auf die wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen sind. Letztere habe „in diesem Jahr bis zum jetzigen Zeitpunkt nur begrenzten Einfluss auf die Preise risikoreicher Vermögenswerte“ gehabt, heißt im EZB-Bericht.

Das ändert für den Moment nichts daran, dass die Kurse steigen. Die Tatsache ließe sich damit hinnehmen und ignorieren. Doch zum einen würde man so gleichfalls ignorieren, dass manch Aktienkurs und Unternehmensbewertung der realwirtschaftlichen Entwicklung davon läuft – Stichwort Blasenbildung. Zum anderen ginge man davon aus, die Zinsen blieben ewig niedrig. Steigen sie, könnte dies zu erheblichen und durchaus plötzlichen Korrekturen an den Märkten führen. Vor allem, da die Phase des niedrigen Zinses nun schon so lange anhält. Die Turbulenzen 2018 lieferten einen Vorgeschmack. Ebenso gefährlich: Die niedrigen Zinsen verleiten zum Kauf von Anleihen mit langer Laufzeit, deren Kurse jedoch verstärkt nachgeben, sollten die Zinsen wieder steigen.

2. Die Schuldenexplosion

Fast überall auf der Welt steigt die Schuldenlast. Zahlen des Institute of International Finance (IIF) nach liegt sie inzwischen bei 250,9 Billionen Dollar. Davon gehen 68,4 Billionen Dollar auf Schulden der Staaten zurück. Im Euro-Raum bauen derzeit nur Deutschland, Slowenien und Zypern Schulden ab, alle anderen Länder verschulden sich weiter. Trotz Niedrigzinsen. Auch in Europa nehmen die Verbindlichkeiten also weiter zu. Derzeit betragen sie rund 10,5 Billionen Euro. Für den Moment lässt sich dieses Schuldenniveau bewältigen. Es müssten jedoch nicht einmal die Zinsen steigen, ein stärkerer wirtschaftlicher Abschwung könnte schon genügen, um einzelne Länder aufgrund höherer Risikoprämien am Anleihemarkt sowie schlichten Wachstumseinbrüchen in Zahlungsschwierigkeiten zu bringen.

Vielleicht braucht es noch nicht einmal das. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass politische Unsicherheiten ausreichen, um Staaten unter Druck zu setzen. Zwar nennt der EZB-Bericht keine Namen, aber vor allem Italien bereitete diesbezüglich schon große Sorgen, als in Folge des Regierungsbündnisses aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung die Risikoprämien stiegen. Nicht auszudenken, was passiert, sollte es in Deutschland oder Frankreich zu solch politischen Umwälzungen kommen.

Hinzu kommt: Nicht nur Staaten verschulden sich weiter. Unternehmen und private Haushalte tun es ihnen gleich. Die niedrigen Zinsen locken. Nicht zuletzt Unternehmen mit im Vergleich schwächerer Kreditwürdigkeit. So steigt nicht nur der Anteil riskanter Hochzinsanleihen, im Rezessionsfall würden diese Unternehmen wohl auch spürbar herabgestuft.

3. Finanzdienstleister gehen verstärkt ins Risiko 

Nach der Finanzkrise 2008 und vielen weiteren Skandalen, die folgten, haben Banken massiv an Vertrauen eingebüßt. Hinzu kommen, ebenfalls aus der Krise von vor über zehn Jahren resultierend, schärfere Gesetze, Kontrollen und Eigenkapitalvorschriften. Beides lastet auf den Geschäften und freut die Konkurrenz. Vermögensverwalter, Investmentfonds und Co. sind in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen. Laut EZB-Bericht ist das Engagement des Sektors, was riskantere Vermögenswerte anbelangt, gestiegen. Auch, da sie weniger stark reguliert werden. So steige deren Anfälligkeit im Falle eines Abschwungs, heißt es in dem Bericht weiter. Ebenso hätten Investmentfonds zuletzt vermehrt auf illiquide Vermögenswerte gesetzt. Die lassen sich nicht schnell verkaufen, was wiederum die Fonds selbst in Bedrängnis bringen könnte, sollte es zu stärkeren Kapitalabflüssen kommen.

4. Die geringe Profitabilität der Banken

Die Zinserträge gehen zurück, die Kosten bleiben hoch, die Strukturen wenig effizient. Die Deutsche Bank gilt da durchaus als prominentes Beispiel. Die Konkurrenz läuft davon. Mit ihren US-amerikanischen Wettbewerbern können die Geldhäuser des Euro-Raums auf Ertragsebene nicht mehr mithalten. Wie die Währungshüter feststellen, dürfte sich daran mittelfristig nichts ändern. Die Zinsen bleiben niedrig, die Wachstumsaussichten mager.

Hilflose Notenbanker?

Es wirkt fast so, als würde den Notenbankern ganz allmählich über den Kopf wachsen, was sie selbst erst ins Rollen gebracht haben. Ohne groß Alternativen gehabt zu haben, klar. Dennoch alarmierend, dass ihnen nun die weiteren Instrumente und Handlungsoptionen drohen auszugehen, während die bestehenden gleichzeitig an Wirkung verlieren und an Nebenwirkungen gewinnen, vor denen die EZB selbst nur warnen kann.

BAS