Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

„Zentrale ökonomische Wirtschaftskonferenz“ wird Folgen haben

China ist nicht nur flächenmäßig eines der größten Länder und mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern auch wirtschaftlich mittlerweile ein Riese. Das rasante, teils unkontrollierte Wachstum der vergangenen Jahrzehnte hat jedoch auch Schattenseiten, weshalb die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft bereits seit Jahren einen konsequenten Transformationsprozess durchläuft. Wohin geht die Reise?

BÖRSE am Sonntag

China ist nicht nur flächenmäßig eines der größten Länder und mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern auch wirtschaftlich mittlerweile ein Riese. Das rasante, teils unkontrollierte Wachstum der vergangenen Jahrzehnte hat jedoch auch Schattenseiten, weshalb die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft bereits seit Jahren einen konsequenten Transformationsprozess durchläuft. Wohin geht die Reise?

Von Ulrich Stephan

Ziel der Regierung ist es dabei, die Wirtschaftsentwicklung nachhaltig zu stabilisieren – auch unter Inkaufnahme geringerer Wachstumsraten. Das betonte Staatschef Xi Jinping zuletzt sehr nachdrücklich auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei im Oktober 2017. Mit welchen Maßnahmen diese Vorgaben umgesetzt werden sollen, wurde Mitte Dezember 2017 im Zuge der einflussreichen „Zentralen ökonomischen Wirtschaftskonferenz“ – einem jährlichen Treffen der chinesischen Parteiführer – konkretisiert. Im Fokus scheinen nach Einschätzung der Deutschen Bank besonders drei Bereiche zu stehen: ein nachhaltigeres Schuldenmanagement, eine intensivere Bekämpfung der Armut im Lande sowie ein verbesserter Umweltschutz.

Beim Thema Schulden dürfte es weniger um die Zentral- als um die einzelnen Lokalregierungen gehen. Denn insbesondere auf lokaler Ebene hat die Schuldenlast der Kommunen in den letzten Jahren stark zugenommen. Hintergrund ist die Emission von Anleihen, auch „Local Government Financing Vehicles“ (LGFVs) genannt, welche primär zur Umgehung von Kreditbeschränkungen der chinesischen Zentralregierung genutzt werden und bei einem Ausfall ein erhebliches Risiko für die finanzielle Stabilität Chinas darstellen könnten. Stärkere Kontrollen in diesem Bereich könnten nach Einschätzung der Deutschen Bank zu einem verlangsamten Wachstum der gesamten Regierungsausgaben von 13 Prozent im Jahr 2017 auf nur noch fünf Prozent im Jahr 2018 führen.

Spannend ist, was nicht thematisiert wird

Zu den Themen Armutsbekämpfung und Umweltschutz gab es zwar noch keine konkreteren Aussagen. Beide Ziele sollen jedoch in den Jahren 2018 bis 2020 mit hoher Priorität verfolgt werden. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass China weiter in Bildung investieren wird, um besonders die Mittelschicht zu stärken. Auch beim Thema Umweltschutz waren in den vergangenen Monaten bereits erste Maßnahmen im Zuge einer Angebotsreform im Rohstoffsektor zu beobachten. So wurden beispielsweise viele illegale Hochöfen zur Stahlproduktion über die Wintermonate stillgelegt. Auch sollen zukünftig Teile des Landes, die bisher noch keinen gesicherten Zugang zu Stromnetzen haben, mittels erneuerbarer Energien mit Strom versorgt werden.

Ein weiteres interessantes Ergebnis der Zentralen Wirtschaftskonferenz in Peking sind Pläne hinsichtlich der Senkung von Einfuhrzöllen auf ausgewählte Güter. Aus Sicht der Deutschen Bank dürften entsprechende Maßnahmen aufgrund ihrer geringen Größenordnung zwar makroökonomisch zunächst nur begrenzte Auswirkungen haben. Gleichzeitig machen die Pläne jedoch deutlich, dass China gewillt scheint, seine Handelsbilanz durch höhere Importe in Zukunft stärker auszugleichen. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse der Zentralen Wirtschaftskonferenz die Einschätzungen der Deutschen Bank hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung Chinas.

Was bedeutet das? Während die Wirtschaft des „alten“ export- und wachstumsfokussierten Chinas gebremst wird, spielt die Wirtschaft des „neuen“ nachhaltig wachsenden Chinas eine immer wichtigere Rolle. Investitionen in technologische Innovation werden dabei eine Schlüsselrolle spielen. So war China bereits 2017 mit 240 Milliarden US-Dollar Investitionen in Forschung und Entwicklung der weltweit zweitgrößte Investor und hat damit im Jahresverlauf mehr als 20 Prozent der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen getätigt. Im Zuge des Wandels könnten diese Ausgaben weiter erhöht werden und damit neue höher qualifizierte Jobs entstehen lassen, auch wenn diese Entwicklung durch Rationalisierung kurzfristig Arbeitsplätze kostet.

Roboter auf dem Vormarsch

Großes Potential sieht die Deutsche Bank in den kommenden Jahren unter anderem bei der Automatisierung der Industrie, im privaten Konsum sowie im Bereich von Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen. So möchte das Reich der Mitte beispielsweise im Verarbeitenden Gewerbe entlang der Wertschöpfungskette aufsteigen. Bei der Automatisierung von Produktionsprozessen besteht dabei enormes Potenzial. In Korea, Deutschland oder Japan kommen auf 10.000 Arbeiter jeweils 631, 309 und 303 Roboter. In China sind es bisher nur 68. Auch der Konsum wird wichtiger: Innerhalb der vergangenen fünf Jahre sind die Einkommen in den großen Städten um 60 Prozent und in den ländlichen Regionen um 80 Prozent gestiegen und tragen mittlerweile den größten Teil zum Wachstum im Einzelhandel bei. Zudem sind Ausgaben für Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Bildung stark angestiegen.

Durch die voranschreitende Transformation von Chinas Wirtschaft ist mit einer leichten Abschwächung des im internationalen Vergleich weiterhin hohen Wirtschaftswachstums zu rechnen: Die Deutsche Bank erwartet nach einem Plus von 6,8 Prozent im Jahr 2017 für 2018 ein Plus von 6,3 Prozent. Konkrete Aussagen zu dem Wachstumsziel für das Jahr 2018 seitens der chinesischen Regierung werden auf dem Nationalen Volkskongress im März 2018 erwartet. Neuste Bekundungen aus China untermauern die Prognosen der Deutsche Bank: So rechnet Zhiwu Chen, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Hongkong, zukünftig auch angesichts der jüngsten Aussagen von Yang Weimin, einem hochrangigem chinesischen Beamten, mit einer niedrigeren Zielwachstumsrate als im Jahr 2017. Yang Weimin hatte dazu Ende Dezember 2017 gesagt, dass ein Wachstum von jährlich 6,3 Prozent in den Jahren 2018 bis 2020 ausreichen würde, um bis 2020 das Ziel einer Verdopplung des Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum Jahr 2010 zu erreichen.

Fazit

Aktuell scheinen die Ampeln der chinesischen Wirtschaft auf Grün zu stehen. So untermauern jüngste Stimmungsindikatoren eine Fortsetzung des zuletzt positiven wirtschaftlichen Trends: Der wichtige Einkaufsmanagerindex des Wirtschaftsmagazins Caixin, der die Stimmung bei privaten und mittelständischen Unternehmen in China für das Verarbeitende Gewerbe misst, lag im Dezember 2017 bei 51,5 Punkten – und damit so hoch wie seit August 2017 nicht mehr. Sein Pendant für den Dienstleistungsbereich kletterte mit 53,9 Punkten sogar auf den höchsten Stand seit Ende 2016. Langfristig dürfte der Fokus auf ein nachhaltigeres Wachstum nach Einschätzung der Deutschen Bank Früchte tragen: in Form einer reformierten, stabileren und moderneren Volkswirtschaft.

Dr. Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.