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Wenn das Geld nicht weiß, wohin: Aktienrückkäufe bleiben in Mode

Den eigenen Aktienkurs nach Möglichkeit, und das im Rahmen des Erlaubten, zu steuern und im Idealfall zu stützen, ist eine der Aufgaben, die findige Finanzvorstände immer mal wieder auf Ideen kommen lässt.

Den eigenen Aktienkurs nach Möglichkeit, und das im Rahmen des Erlaubten, zu steuern und im Idealfall zu stützen, ist eine der Aufgaben, die findige Finanzvorstände immer mal wieder auf Ideen kommen lässt.

Von Reinhard Schlieker

So ganz zufriedenstellend sind ja die verschiedenen Parameter der Unternehmensfinanzen eigentlich nie. Es sei denn, man heißt Apple und hat Bares bis zum Abwinken, oder Amazon, der Konzern mit den vielfältigen Expansionsgedanken, denen meist Taten folgen. Oder Google, das den Boom liebt. Und dennoch führen gerade diese beiden Unternehmen die Liste derer an, die das in den USA schon seit fast einem halben Jahrhundert beliebte Instrument des Aktienrückkaufs ausreizen.

Apple hat Analysten zufolge im vergangenen Jahr mehr als 81 Milliarden Dollar für den Einzug eigener Aktien ausgegeben. Google legte rund 31 Milliarden Dollar auf diese Weise an – und ließ sie damit gleichsam verschwinden. Aktienrückkauf bedeutet stets eine Verringerung des Eigenkapitals, was im Einzelfall sinnvoll sein kann. Genau genommen das Gegenteil einer Kapitalerhöhung, und somit auf den ersten Blick ein Dienst am Aktionär: Die einzelnen Papiere werden mehr wert, sie verbriefen einen größeren Anteil am Unternehmen und entsprechen damit einer Art Dividende, nur dass die nicht steuerpflichtig ist.

Im Falle von Apple sorgt man erklärtermaßen so außerdem vor für Ansprüche des Managements, wenn in Zukunft die variablen und in Aktien zahlbaren Teile der Vergütung fällig werden; dafür nämlich hat der Technologieriese aus Cupertino auf diese Weise eine Reserve geschaffen. Facebook, Microsoft, Netflix – alle nutzen die Möglichkeit, Kurspflege zu betreiben. Insgesamt sollen Papiere im Wert von 650 Milliarden Dollar noch dieses Jahr von den US-Börsen verschwinden. Die Firmen sehen darin natürlich auch eine Möglichkeit, für sich den seit mittlerweile einem Jahr laufenden Aufschwung noch etwas zu verlängern, oder sich dank unterfütterter Kurse bei einem möglicherweise drohenden Rückschlag relativ gut halten zu können.

Ein Sonderfall sind in dieser Hinsicht die US-Banken. Denen hatte die amerikanische Notenbank (Fed) im Rahmen ihrer Krisenprävention jeden Aktienrückkauf und zum Teil auch die Dividendenzahlung über ein bestimmtes Maß hinaus schlicht verboten. Im Vordergrund stand die Stabilität – seit die Fed das Verbot Ende des vergangenen Jahres aufhob, und nur noch die Bedingung stellte, dass die Summe der Rückkäufe die Gewinne nicht übersteigen darf, haben etliche Großbanken bereits den Erwerb eigener Aktien in Milliardenhöhe angekündigt, darunter JP Morgan und Goldman Sachs. Sicherlich ein beruhigendes Signal, denn wenn die Banken sich das nicht leisten könnten, was sagte das über die Volkswirtschaft aus? Dennoch scheint die Fed für ihr striktes Management aber doch Gründe gehabt zu haben. Eine Kreditklemme aufgrund Bevorzugung eigener Aktionäre, das hätte in den USA nicht nur zu volkswirtschaftlichen Schäden, sondern in der Pandemie sicherlich auch zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen können.

In Deutschland geht es insgesamt sehr viel verhaltener zu – seit die Corona-Pandemie das Geschehen im Wirtschaftsleben unberechenbarer gemacht hat, liegen viele Rückkaufpläne ganz freiwillig auf Eis. Auch wenn an den Börsen keine Krisenstimmung mehr zu spüren ist, einzelne Korrekturen widersprechen dem kaum. Nach einer nur kurzen Delle übersprang der Dax-Index noch Ende März die 15.000-Punkte-Marke, der Einbruch vom März 2020 ist Geschichte. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, sollten Anleger genau analysieren, welche Unternehmen – und aus welchen Gründen – einen Rückkauf eigener Aktien planen.

In den USA sind Fälle durchaus großer Firmen bekannt, die Fremdkapital aufnehmen mussten oder dies sogar einplanten, um Aktienrückkäufe zu finanzieren – sei es, weil die Cashflow-Erwartungen zu optimistisch waren, sei es, dass man mit dem Rückkauf eher andere Ziele verfolgte als das Unternehmen zu stärken, beispielsweise Steueroptimierung oder die Verhinderung einer feindlichen Übernahme. In solchen Fällen kann das Instrument sehr schnell zu einem schlechteren Rating führen, und über höhere Kreditkosten die Aktionäre eher mehr kosten als die Kurspflege ihnen einbringt. Von der Düpierung existierender Gläubiger einmal ganz abgesehen, denn die stehen plötzlich verringerten Sicherheiten gegenüber.

Und die Aktionäre sind nicht automatisch die Gewinner, denn ein langfristig steigender Kurs ist bei solchen Unternehmen kaum nachweisbar – zwar wirken die Kennzahlen wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis optisch niedriger, die Aktie erscheint preiswerter und soll womöglich als günstiger Kauf gelten. Allerdings sind im Gegensatz zur Ausschüttung einer Dividende die Erträge durch Rückkauf für den Aktionär nicht fest bezifferbar. Schließlich bedeutet in vielen Fällen das „Buyback“ auch, dass eine AG keine Visionen für andere Mittelverwendung besitzt, seien es Übernahmen anderer Unternehmen, sei es Investition in Forschung und Entwicklung oder neue Geschäftsfelder. Genau aus diesen Gründen galt es bei Startups und Technologiefirmen lange als verpönt, die Aktionäre durch Ausschüttungen am Gewinn teilhaben zu lassen, selbst wenn dieser nach langer Durststrecke eines Tages zu sprudeln begann.

Und dann gibt es da natürlich noch die Fälle, in denen tatsächlich keine nennenswerte Rückkaufstrategie verfolgt wurde, stattdessen eine „Kriegskasse“ zum Erwerb mehr oder weniger passender Unternehmen aufgebaut wurde. Wie übel das nun wiederum ausgehen kann, da sind die Beispiele Legion. Von herbeiphantasierten Hochzeiten im Himmel wie bei Daimler und Chrysler, oder milliardenschwer eingekauften Prozessrisiken wie bei Bayer und Monsanto – derart nachhaltige Wertvernichtung ist gewiss etwas, was einen soliden Aktienrückkauf demgegenüber als pfiffiges Konzept erscheinen lässt. Dem Anleger bleibt wirklich kaum etwas erspart: Vor allem aber nicht, die Unternehmensfinanzen vor einer Anlageentscheidung auch auf diesen Punkt hin abzuklopfen. Zwischen 2017 und 2019, so ermittelte jüngst das Deutsche Aktieninstitut, kauften von dreißig Dax-Mitgliedern immerhin vierzehn eigene Aktien zurück. Das Instrument ist also auch in Deutschland längst nichts Exotisches mehr.

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