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Am Notausgang kostet's extra

Die Aktie der Air Berlin plc, in England gelistet, ist ein schöner deutscher Pennystock geworden. Bei um die dreißig Cent sind Schwankungen im zweistelligen Prozentbereich nun die Regel. Für die 53 Prozent der Aktien des Unternehmens, die sich im Streubesitz befinden, gibt es wohl wenig Hoffnung auf das Erreichen irgendeiner nennenswerten Kursflughöhe. Inzwischen dürfte auch den Inhabern diverser Anleihen der insolventen Linie wenig Gutes schwanen.

BÖRSE am Sonntag

Die Aktie der Air Berlin plc, jenes in Großbritannien inkorporierte Unternehmen, das in Deutschland Luftverkehr betreibt, ist ein schöner Pennystock geworden. Bei um die dreißig Cent sind Schwankungen im zweistelligen Prozentbereich nun die Regel. Für die 53 Prozent der Aktien des Unternehmens, die sich im Streubesitz befinden, gibt es wohl wenig Hoffnung auf das Erreichen irgendeiner nennenswerten Kursflughöhe. Inzwischen dürfte auch den Inhabern diverser Anleihen der insolventen Linie wenig Gutes schwanen.

Von Reinhard Schlieker

Eine der wenigen Freuden, die Besitzer von Air-Berlin-Aktien derzeit haben, ist diese: Lustigerweise gibt es für insolvente Fluglinie immer noch technische Analysen – so soll uns der Chart Anfang September beispielsweise verraten haben, dass sich bei 35 Cent eine Unterstützung befinde, bei 95 hingegen eine Widerstandslinie. Wer den Fortgang der Verhandlungen beobachtet, sieht die Widerstände ganz woanders – aber das ist fast schon egal. Für die 53 Prozent des Unternehmens, die sich im Streubesitz befinden, gibt es wohl wenig Hoffnung auf das Erreichen irgendeiner nennenswerten Kurshöhe. Aber die Daytrader haben fast so viel Nervenkitzel wie die Inhaber lange im vorausgebuchter Air Berlin-Tickets. Inzwischen dürfte auch den Inhabern diverser Anleihen der insolventen Linie wenig Gutes schwanen. Eine 225-Millionen-Anleihe von 2011 mit Laufzeit bis 2018 steht wohl bereits gänzlich im Feuer.

Viele der Investoren dürften sich auf die Zusage von Etihad verlassen haben, das Jahr 2018 für Air Berlin noch durchzufinanzieren. Der plötzliche Sprung aus dem Notausgang war zwar auch für Etihad teuer, die Finanzierung weiterer 18 Monate aber hätte das alles in den Schatten gestellt. Den Rufschaden wird man am Golf wohl als verkraftbar einschätzen. Inzwischen allerdings, und das ist auch ein Grund warum es eilt mit dem Verkauf von Air Berlin, richtet sich die Konkurrenz schon mal ein in Berlin-Tegel und Düsseldorf. Flexibel wie man ist, hat der Etihad-Rivale Quatar Airways seine tägliche Verbindung von Berlin nach Doha auf das größte Flugzeug umgestellt, das in Tegel überhaupt regulär abgefertigt werden kann: Die Boeing 777-300. Und damit seine Kapazitäten um bis zu 25 Prozent erhöht. Delta Airlines wird an die Spree zurückkehren, Germania fliegt nun auch ab Tegel und nicht mehr nur von Schönefeld, und die polnische LOT fleddert an der wegfallenden Verbindung von Air Berlin nach Warschau.

Das alles geschieht, ohne dass die Mitbewerber einen einzigen Slot von Air Berlin benötigen, denn diese Start- und Landerechte fallen ja in die Verkaufsmasse der Fluglinie. Neben Lufthansa und Easyjet bieten weiterhin einige Einzelunternehmer und Investorengruppen. Ob es diesen Außenseitern gelingt, bis 15. September die geforderten Konzepte auf den Tisch zu legen, weiß derzeit niemand seriös zu sagen. Jedenfalls soll am 21. September bereits endgültig entschieden werden, wem der Großteil der Fluglinie zufallen wird.

Immer noch herrschen Befürchtungen vor, dass bei einer überwiegenden Abgabe an die Lufthansa zahlreiche neue Monopolstrecken in Deutschland und Europa entstehen werden. Die Konkurrenzsituation, wie sie sich im Moment in Berlin-Tegel entwickelt, lässt allerdings kaum befürchten, dass solche Monopolverbindungen lange Zeit in der Hand eines Anbieters bleiben werden. Je höher der Monopolist seine Ticketpreise schraubt, desto mehr lohnt sich der Einstieg eines Außenseiters. Bei innerdeutschen Strecken ist dazu noch häufig die Bahn ein direkter Konkurrent.

Wenn man es im Übrigen nüchtern durchrechnet, waren viele Tickets von Air Berlin auch nicht gerade billig. Wer auch nur den geringsten Komfort extra haben wollte, zahlte drauf: Am Notausgang mit Beinfreiheit kostete es schon seit langem deutlich mehr. Und wer einen früher ganz normalen Verstellwinkel der Rückenlehne haben will, muss ebenfalls gegen Geld die Lehne sozusagen freischalten lassen. Dass das auch renommierte europäische Linienflieger so machen, dadurch wird es nicht sympathischer. Der Passagier ist eben auch nur Fracht. Nächste Woche wird wohl klarer, welcher Spediteur künftig die Berliner Luft beleben darf.