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Apples Steuermilliarden: Die Gierigen unter sich

Geld macht sinnlich, wie unser Kolumnist Reinhard Schlieker feststellt. Da kann man durchaus glauben, dass spröde Bürokraten in Brüssel ebenso wie Steuerkommissare in den USA feuchte Hände, wenn nicht gar Tränen der Rührung in die Augen bekommen, wenn sie sich bei Apple den Steuersatz im Vergleich zu den Ersparnissen ansehen. Früher oder später war zu erwarten, dass dies viele sinnliche Geld die Bürokraten-Phantasien anregt.

BÖRSE am Sonntag

Geld macht sinnlich. Da kann man durchaus glauben, dass spröde Bürokraten in Brüssel ebenso wie Steuerkommissare in den USA feuchte Hände, wenn nicht gar Tränen der Rührung in die Augen bekommen, wenn sie sich bei Apple den Steuersatz im Vergleich zu den Ersparnissen ansehen. Früher oder später war zu erwarten, dass dies viele sinnliche Geld die Bürokraten-Phantasien anregt.

Von Reinhard Schlieker

Die „Rückforderung“ von 13 Milliarden Euro aufgrund von in der irischen Niederlassung lediglich in marginaler Höhe angefallenen Steuern, mit denen sich Apple aktuell konfrontiert sieht, hat einen dubiosen Beigeschmack. Nur weil ein internationaler Konzern reich ist, berechtigt das nicht zu rechtsstaatlich zweifelhaften Methoden bei der Besteuerung, auch wenn eine EU-Kommissarin womöglich auf heimlichen Beifall der Neidgesellschaft spekuliert und sich damit für höhere Weihen in Position bringen will.

Apple hat nach eigenen Angaben in Irland die dort vorgesehenen 12,5 Prozent Steuern bezahlt, 400 Millionen Dollar, und wirft der EU-Kommission mangelhafte Beherrschung der Bruchrechnung vor. Andere multinationale Konzerne stehen schockstarr in der Kulisse und warten, dass auch sie an der Reihe sind. Die Vereinigten Staaten ihrerseits spekulieren darauf, dass Apple seine riesigen Guthaben eines Tages zurück nach Hause bringt und dort mit den vorgesehenen 35 Prozent Steuern legalisieren wird; jede zuvor anderswo entrichtete Abgabe schmälert den Erlös, weshalb man der EU eine Art Raubrittertum vorwirft.

Irland seinerseits findet alles in Ordnung, man habe nun mal als Geschäftsmodell die Ansiedlung ausländischer Unternehmen zu fördern, und nicht nur mit niedrigen Steuersätzen, sondern auch mit kommoder Infrastruktur bis hin zur international wettbewerbsfähigen Umgangssprache Englisch. Von daher wird sich auch die irische Republik gegen die EU-Kommission in Stellung bringen. Dass Irland damit auf den Gegenwert seiner kompletten Gesundheitsversorgung für zwölf Monate freiwillig verzichtet, sollte selbst Brüssel einen Gedanken wert sein. Das Gravierendste, was sich die EU damit aber antut: Sie setzt den europäischen Ruf von Rechtssicherheit aufs Spiel, der gewiss mehr wert ist als in diesem Zusammenhang lumpige 13 Milliarden. Denn der Hauptmakel der sogenannten Rückforderung ist die rückwirkend angewandte Gesetzeslage, die es vor einem Vierteljahrhundert, 1991, als Apple nach Irland zog, nicht gab.

Apple traf eine Vereinbarung mit einem souveränen Staat, und von den jetzt bemühten Beihilferegelungen wusste noch niemand etwas. Steuerwettbewerb unter Nationen ist eine begrüßenswerte Sache, und von den betroffenen Unternehmen wird niemals die Steuerlast isoliert gesehen – andere Ansiedlungsfaktoren spielen ebenso mit, und je besser die staatlichen Leistungen im öffentlichen Raum, desto höher dürfen die Sätze auch sein. Niemand käme auf die Idee, sein komplettes Geschäft etwa nach Bulgarien zu verlegen, nur weil dort womöglich die Steuern niedrig ausfallen. So wie die Dinge stehen, dürften nun amerikanische Unternehmen ihre Anwälte an ihre vielleicht ebenfalls 25 Jahre alten Abkommen mit Staaten setzen, Luxemburg etwa oder die Niederlande, um zu prüfen, was noch alles rückwirkend bestraft werden könnte. Die EU-Kommission hat sich mit der Preisgabe eherner Rechtsgrundsätze keinen Gefallen getan, und auch finanziell wird das Abenteuer zu weit mehr Ausfällen führen auf lange Sicht, als jene Summen, die jetzt womöglich eingetrieben werden können.