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Arbeit für Kassandra

Man spricht mittlerweile vom „Jobwunder“, das klingt, nach Fräuleinwunder und Wirtschaftswunder, wieder wie so eine deutsche Erfolgsgeschichte und bezeichnet doch nur einen Absturz, der nicht so stattgefunden hat wie erwartet. Mal abgesehen davon, dass vieles nicht so stattfindet wie erwartet, und damit dafür sorgt, dass das Leben und die Menschheitsentwicklung am Ende unberechenbar bleiben, wie Wetter, Klima und die ehrlich stattfindenden Begegnungen der Fußball-Bundesliga, ist das Jobwunder natürlich nur eine Momentaufnahme aus einer krisenbehafteten Wirtschaftslage.

BÖRSE am Sonntag

Es soll dennoch nicht ungewürdigt bleiben. Das erscheint notwendig, denn zusammen mit allen Meldungen und Analysen der vergangenen Woche, dass wir überraschend keinen Kahlschlag auf dem Arbeitsmarkt erlebt haben, keimte unter jeder halbwegs ernsthaften Zeitungsschlagzeile der Untertitel: „Aber nun könnte es wirklich ganz schlimm kommen“ oder so ähnlich. Die Faktenlage ist: Die in Deutschland geltende Kurzarbeit-Regelung hat mit dazu beigetragen, dass viel weniger Leute auf der Straße gelandet sind, als aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. Für eine Übergangszeit ist das segensreich, auch wenn die staatliche Subvention von Arbeitsplätzen, die nicht produktiv sind, grundsätzlich ins Desaster führen müsste. Die Betonung liegt deshalb auf „zeitlich befristet“. Diese Terminierung allerdings erlaubt gewisse Spielräume: So lange nämlich, wie eine anerkannte Wirtschaftskrise herrscht, und auch noch etwas darüber hinaus, ist es absolut nützlich, die zumeist sehr gut qualifizierten und eingearbeiteten Leute in den Firmen zu halten. Da Arbeitslosigkeit in Krisen ein nachlaufender Indikator ist, kann man später mit den Maßnahmen wie Kurzarbeit beginnen, muss allerdings noch eine Weile in die Erholung hinein weiter subventionieren. Das hat die Politik offenbar verstanden, deshalb erscheint es auch fragwürdig, wenn einige der Auguren das böse Ende jetzt noch prophezeien: Es muss nicht kommen, denn es ist kein Naturereignis, sondern menschlicher Gestaltungskraft zugänglich. Vor diesem Hintergrund ist es zwar verständlich, aber vielleicht wenig aussagekräftig, wenn die Bundesagentur für Arbeit sich zwar verblüfft zeigt über die Zahl von 3,3 Millionen Arbeitslosen im Dezember (kaum höher als sonst, auch in guten Zeiten), weil niemand mit diesem niedrigen Stand gerechnet hatte. Gleich danach aber schiebt sie die nächste Prognose auf den Tisch, die nun für den Winter 2010/2011 die Katastrophe ankündigt, wenn auch eine maßvollere als zuvor erwartet: 4 Millionen Arbeitslose könnten es dann sein. Wir sollten es gelassen abwarten. Denn die Prognosen für den vergangenen Herbst sahen 5 Millionen ohne Job, und der Rest ist bekannt. Vielleicht entfalten die Kassandra-Rufe wenigstens insofern eine heilsame Wirkung, als sie dazu führen, dass man in der Politik im Nachdenken nicht nachlässt, wie die Zahl möglichst niedrig zu halten sein wird. Denn ehrlich gesagt, auch 3,3 Millionen ist nicht gerade etwas, was Begeisterung auslösen könnte. Das müsste doch besser gehen, sollte man meinen. Für so ein Jobwunder allerdings braucht man etwas mehr Initiative als eine Kurzarbeit-Regelung.