Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Analysen >

Anti-Bargeldkampagne: Wer sind die Guten?

Die Debatte um eine Obergrenze für Bargeldzahlungen erhitzt die Gemüter in der Bundesrepublik. Dabei ist das System in anderen Ländern bereits gang und gäbe. Doch unser Kolumnist Reinhard Schlieker hat Zweifel: Was die Befürworter der Abschaffung jenseits der direkt interessierten Kreise nicht begründen können: Wenn sie Bargeld nicht mögen, gut. Es wird ja niemand gezwungen. Warum aber jene zwingen, die es nun mal gern verwenden?

BÖRSE am Sonntag

Glücklich ist, wer sein Geld ganz vergisst: Nach einer Meldung von dpa dieser Tage fand ein städtischer Mitarbeiter in Erfurt 10.000 Euro im Sperrmüll – in den ausrangierten Möbeln eines älteren Ehepaares. Die alten Leutchen hatten weder der Bank noch dem Staat genügend vertraut, um ihr Erspartes dort zu hinterlegen. Gebraucht haben sie das Geld aber anscheinend nicht so dringend, denn es war ihnen offenbar völlig entfallen.

Der ehrliche Finder darf den Besitzern das Geld in einer Summe zurückgeben, denn eine Obergrenze für die Handhabung von Scheinen und Münzen gibt es nicht. Noch nicht. Nur die Hälfte etwa von 10.000 Euro dürfte man künftig bar überreichen, etwa im Juwelierladen oder beim Gebrauchtwagenkauf, wenn es nach Plänen der Bundesregierung geht. Die Abschaffung des Bargelds samt und sonders steht nicht auf dem Programm, wäre aber ein logischer Schritt: Wenn, wie es die SPD vermutet, zum Beispiel 500-Euro-Scheine ausschließlich von Geldwäschern und Banditen benutzt würden, dann wäre eine Umstellung auf elektronische Zahlung ja nur folgerichtig.

Die Befürworter einer Bargeld-Abschaffung finden sich aber auch in Kreisen von Volkswirtschaftlern und Fachjournalisten. Das Argument, das sicher auch manche Bank gerne hört: Die Versorgung mit Scheinen und das Vorhalten des Geldes macht Mühe, schafft Risiken und ist damit recht teuer. Irgendwie arbeiten sich in Europa fast alle an der klingenden Münze ab: In den Benelux-Ländern wird bei Centbeträgen gern auf- oder abgerundet, in Frankreich darf man nur noch 1.000 Euro bar übergeben bei herkömmlichen Geschäften – aber keine Sorge: für ausländische Oligarchen gelten 10.000, was ein Glück!

Dänemark hat die Annahmepflicht für richtiges Geld teils bereits aufgehoben. Keiner will das Echte, das Bare. Vor allem natürlich nicht die EZB, ohne es aber zuzugeben – ihre Maßnahmen zur Inflationsförderung und Strafverzinsung greifen nicht, wenn die Scheine im Schrank liegen. Auch wenn es teuer ist, sein Geld im Bankschließfach zu horten oder daheim im Safe – in Deutschland hängen die Leute am schönen Schein, ein Cent wird noch geehrt. Was die Befürworter der Abschaffung jenseits der direkt interessierten Kreise nicht begründen können: Wenn sie Bargeld nicht mögen, gut. Es wird ja niemand gezwungen. Warum aber jene zwingen, die es nun mal gern verwenden? Und das sind keineswegs nur alte Leute, wie Bundesbankpräsident Weidmann, der die Exekutionsversuche kritisiert, klar festhält.

Dass die QE-Maßnahmen der EZB nicht wirken, liegt nicht an der baren Münze, das sollte mittlerweile den meisten dämmern. Die Folgen – Reformunwilligkeit in Europa, sinnlose Verschuldung der Öffentlichen Hände und völlige Abhängigkeit der Börsen und sonstigen verzerrten Kapitalmärkte vom Doping aus Frankfurt – sie sind mit Händen zu greifen. Je schneller man zu volkswirtschaftlich gebotenen Zinsen, dem Preis des Geldes also, zurückkehrt, desto eher ist der Schrecken zu Ende. Im Falle der Senioren aus Erfurt wäre es allerdings wirklich sicherer gewesen, eine Kreditkarte im Schrank zu vergessen.