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Fulminantes Comeback – oder Strohfeuer?

Die Aktionäre des Chemie- und Pharmariesen Bayer sind seit vielen Monaten ein Bild des Schreckens gewohnt. Der Wert der Aktie kannte offenbar kein Halten mehr, seit die Leverkusener den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto übernommen hatten. Doch nun auf einmal steigt der Aktienkurs rasant.

BÖRSE am Sonntag

Die Aktionäre des Chemie- und Pharmariesen Bayer sind seit vielen Monaten ein Bild des Schreckens gewohnt. Der Wert der Aktie kannte offenbar kein Halten mehr, seit die Leverkusener den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto übernommen hatten. Doch nun auf einmal steigt der Aktienkurs rasant.

Von Reinhard Schlieker

Damals schien Vorstand und Aufsichtsrat der 63-Milliarden-Dollar-Deal ein lohnendes Geschäft: Weltweite Präsenz, tausende Patente auf Samen und Unkrautvernichter, die noch dazu häufig im Doppelpack zu verkaufen waren, denn die Sämereien waren auf Resistenz gegen die eigenen Unkraut-Bekämpfungsmittel gezüchtet. Ein fast genialisches Geschäftsrezept, wären da nicht diese Risiken und Nebenwirkungen – und weit und breit kein Arzt oder Apotheker, der mit gutem Abraten
zur Stelle gewesen wäre.

So konnte es kommen, dass Kläger in den USA wegen angeblicher Krebsgefährdung durch das Monsanto-Mittel „Roundup“ Millionenklagen einreichen durften, die nun allesamt nach Leverkusen weitergereicht wurden. Das kostete den Bayer-Aktionär runde 30 Milliarden Euro Firmenwert und schlaflose Nächte. Schließlich geriet Bayer auf diesem niedrigen Kursniveau in den Ruch, ein Übernahmekandidat zu sein. Und selbst bei einem gehörigen Aufschlag auf den Börsenkurs hätte das  für viele Anteilseigner einen erheblichen und unwiederbringlichen Verlust bedeutet. Von daher ist
es zu verstehen, dass der Kurs zum Wochenende einen Satz machte und zeitweise rund elf Prozent zulegen konnte. Hintergrund waren Gerüchte, dass Bayer sich bereit erklärt habe, mit den rund 18.000
Klägern in den USA ins Gespräch zu kommen -will heißen, einen Vergleich anzustreben. Bislang hatte Bayer dies abgelehnt, mit dem Verweis darauf, dass Roundup mit seinem Inhaltsstoff Glyphosat nicht
krebserregend sei und lediglich falsche Handhabung zu Risiken gesundheitlicher Beeinträchtigung beitragen könne.

Drei US-Gerichte sahen das anders und verurteilten zu hohen Schadensersatzleistungen. Nachdem ein Richter in Kalifornien Verhandlungen der Parteien dringend angemahnt hatte, nun also wohl der erste Schritt. Acht Millionen Dollar will das Unternehmen für eine umfassende Einigung in die Hand nehmen, so lauten derzeit die Insiderinformationen. Da machte die Börse mal eben die Rechnung
auf, addierte einen Risikopuffer dazu und landet bei einem gerechtfertigten Kurs von gut 65 Euro. Ungefähr zehn Prozent mehr als zu Wochenbeginn.

Die Börse scheint förmlich nach guten Nachrichten zu fiebern. Anders wäre die heftige Reaktion auf eine unbewiesene Behauptung und auf das weiterhin bestehende Klagerisiko kaum zu erklären. Denn einem Vergleich müssten nach langwierigen Verhandlungen alle Beteiligten zustimmen. Erst dann
käme der Kassensturz, und dann die Reparatur des angeschlagenen Rufs von Bayer und vor allem Monsanto. Die einstige „Apotheke der Welt“ hat sich vergriffen, egal wie die Verfahren ausgehen. Jetzt dreht sich erst einmal alles um jene Handvoll Staranwälte, die sich um einen Ausgleich bemühen müssen. Gleich wie die Sache dereinst ausgeht: Bayer hat sich einen Klotz ans Bein gebunden, den es so leicht nicht wieder loswerden wird.

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