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Computerdämmerung

Es entwickelt sich eine merkwürdige Zwischenwelt in der Computer- und Elektronikbranche. Dass nichts mehr gilt, was vorgestern noch galt, an diesen eher schon banalen Lehrsatz hat man sich gewöhnt. Aber gewisse Grundfesten galten denn doch als unerschütterlich.

BÖRSE am Sonntag

Es entwickelt sich eine merkwürdige Zwischenwelt in der Computer- und Elektronikbranche. Dass nichts mehr gilt, was vorgestern noch galt, an diesen eher schon banalen Lehrsatz hat man sich gewöhnt. Aber gewisse Grundfesten galten denn doch als unerschütterlich.

Zu diesen gehörte: Microsoft ist groß und mächtig; IBM ist der Big Blue in Amerika und weltweit, Apple ist pfiffig und unsagbar reich wie auch kreativ, und neuerdings auch noch: Google und Facebook sind die, an denen keiner vorbeikommt. Fangen wir mit Microsoft an: Der Gigant beherrscht die Welt, nichts geht ohne die Monopolisten aus Redmond mit ihrem Genie Bill Gates und ihrem Choleriker Steve Ballmer, beide inzwischen aber eher nicht mehr vorn im Geschäft. Unbemerkt von den unzähligen Nutzern der Windows-Welt aber bröckelte das Imperium.

Neu-Chef Nadella reißt jetzt das Ruder dahin, woher der Wind weht. Wann immer Microsoft in den letzten Jahren etwas wirklich Neues anpackte, ging es schief. Ob Tablets, Windowsphone, Cloud: Riesen haben dicke Finger und können filigrane Sachen nicht richtig packen. Die Übernahme von Nokia (auch so ein Laden, der es von der Gummistiefelproduktion auf den Mobilfunk-Weltmarkt schaffte, und kurz davor stand, doch lieber wieder Gummistiefel zu machen) sollte die Lücken schließen. Auch das hat nicht geklappt, jetzt müssen 18.000 Leute gehen, die meisten bei der finnischen Neuerwerbung, die noch als Meisterstück galt: Nun wird die Belegschaft halbiert und Microsoft sagt – oder gibt endlich zu – dass der Verkauf von Hardware, also Mobiltelefonen, nicht ein Schwerpunkt sei, sondern die Vernetzung und mobile Nutzung von Anwendungen.

Die Börse fand das gut, was auch sonst. Apple unterdessen, trotz arroganter Alleinherrschaft auf manchen Gebieten, präsentiert sich weiterhin als der „Think-different“-Konzern und füllt diese Bezeichnung nun endlich mal wieder mit Leben, wenn auch völlig anders als gedacht. Angekündigt ist eine umfassende Zusammenarbeit mit IBM, das war bislang der Darth Vader in Apples Imperium. Das Böse schlechthin, denn in der IBM-Welt herrschte Microsoft, das noch Bösere schlechthin. Apple aber sieht die Schwächen Microsofts und will sie nutzen, um den Riesen nun auch bei den Firmenkunden anzugreifen – IBM soll dazu die Büroanwendungen liefern.

Falls das klappt, geht es ganz nebenbei auch Blackberry an den Kragen – mobile Firmenanwendungen laufen immer noch bevorzugt auf den Geräten von RIM, auch so ein angeschlagener Mitspieler. Allerdings hat es mit IBM und Apple schon bei früheren zaghaften Versuchen nicht geklappt – sollte es diesmal gutgehen, könnte man die Erfahrung eines Tages vielleicht für den Nahost-Friedensprozess nutzen. Derweil baut sich am Horizont ganz ungestört das neueste Imperium auf, das auch in Apples, Microsofts und IBMs Revieren wildert, und nicht nur da: Amazon rafft unbekümmert zusammen, was es kriegen kann. Im Visier derzeit: Der traditionsreiche Verlag Simon & Schuster. Amazon will nichts Geringeres als das Buch, wie wir es kennen, in den Orkus verbannen. Das E-Book soll es ersetzen. Vielleicht steht es demnächst alles in der Washington Post – die gehört dem Amazon-Chef und sollte eigentlich Informationen aus erster Hand besitzen. Schöne neue Welt.

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