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Die Daimlers: Der Dax, demnächst Familienangelegenheit?

Die Aufspaltung des Stuttgarter Autobauers in zwei eigenständige börsennotierte Unternehmen – eines für Pkw, eines für Lkw, ist vollzogen. Was bedeutet dieser Schritt für Anleger?

Die Aufspaltung des Stuttgarter Autobauers in zwei eigenständige börsennotierte Unternehmen – eines für Pkw, eines für Lkw, ist vollzogen. Was bedeutet dieser Schritt für Anleger?  

Von Reinhard Schlieker

Keine Angst, Daimler wird nicht so schnell Dominator im Dax-Index, da sei Siemens vor. Die Münchener mit ihren schönen Töchtern sind fürs erste noch Platzhirsche, was die Mehrfachpräsenz eines Clans im deutschen Auswahlindex der 40 Besten, oder Wichtigsten, angeht. Vier Mitglieder des Stammhauses notieren da. Was Daimler angeht, werden es für genau einen Handelstag – vorerst – zwei sein: Die Autoholding und ihre Abspaltung Daimler Trucks.

Am Freitag kommender Woche gibt es damit kurzzeitig 41 Dax-Werte, denn Daimler gibt den Aktionären für zwei gehaltene Anteilscheine je einen neuen der Lastwagensparte, behält selbst aber auch noch 35 Prozent am Schwergewicht des Hauses, das mit Marken wie Mercedes-Benz, Freightliner, Western Star, Fuso oder Setra weltweit Lastwagen und Busse auf die Straße bringt oder weitere mit Dieselmotoren bestückt. Neu-Aktionäre des brummenden Business hoffen natürlich bei einer der nächsten Index-Neubestimmungen auf einen Aufstieg, zumal wenn die Muttergesellschaft weitere Anteile abgeben sollte.

Unter Börsenanlegern ist die alte Weisheit, „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ eher unbeliebt, es sei denn als Aufforderung zur Aufspaltung. Vielseitige Konzerne werden früher oder später von aktivistischen Investoren darauf hingewiesen, dass man sich doch von der einen oder anderen Geschäftseinheit trennen könnte – zum allseitigen Nutzen, natürlich.

Nicht immer ist das eine gute Idee, wenn gewachsene Strukturen dazu führen, dass jede Unternehmenssparte mit der anderen Hand in Hand arbeitet, wechselseitig zugeliefert wird oder eine übergreifende Dienstleistungseinheit besteht. Einiges davon gilt auch für Daimler, aber man hat sich dennoch für die Aufteilung entschieden, weil unter anderem die neuen, etwas kleineren, aber immer noch für sich genommen bedeutenden Unternehmen mutmaßlich einzeln schneller und zielgerichteter agieren können als der große Konzern mit seiner berühmt-berüchtigten Zentralverwaltung, seit den Zeiten Jürgen Schrempps als „Bullshit Castle“ einsortiert, wobei Schrempp selbst dann ja wohl Schlossherr des wenig beliebten Zentrums gewesen sein muss, aber das ist alte Geschichte.

Apropos: Was Mercedes/Daimler-Benz im Laufe der Zeit so alles sein Eigen nannte, und entweder sich einverleibte, wieder verkaufte oder fusionierte, würde auch eine hübsche Familiensaga ergeben. So gesehen geht ja die börsennotierte Airbus zum großen Teil auf die Zeitachse Dornier-Dasa-Messerschmidt zurück, Chrysler wurde schnell unbeliebt in Stuttgart und wieder verkauft, AEG ist Historie und sogar Hanomag, Heinkel oder Horex (sagenumwobene Motorräder) waren mal, ebenso wie Porsche Diesel, Teil der Sippe. Die Wiederbelebung der Elitemarke Maybach hielt sich nicht allzu lange.

Für Börsengänge waren die damaligen Zeiten jedenfalls nicht ganz reif, mit den Trucks soll es nun aber klappen. Eigenständig ist die Firma, größter Hersteller von Nutzfahrzeugen über sechs Tonnen weltweit, seit dem 1. Dezember. Folgt man den Vorstellungen - das klingt ja besser als „Visionen“ - von Truck-Chef Martin Daum, dann wird Daimler Trucks bald 40 Milliarden Euro an Börsenwert auf die Waage bringen, ein ehrgeiziges Ziel. Wenn man eben ein über 100 Jahre altes Geschäft ist und keiner jener neuzeitlichen Konkurrenten, die zwar ebenfalls am Tag ihres Börsengangs Milliarden wert sind, aber nichts Fahrbares vorzuweisen haben, was über eine animierte Videopräsentation hinausgeht und die überdies alle so ähnlich heißen wie ein bekanntes Speiseöl.

Daum will den Elektroantrieb im Laster mit höchster Autorität versehen, und einem Qualitätsversprechen. Pkw-Daimler selbst plant bis 2026 Investitionen in den Elektroantrieb von 60 Milliarden Euro, nebst autonomem Fahren und Digitalisierung das Gebot der Stunde. Da wird die Lastwagenproduktion eher noch kniffliger und ebenfalls teuer. Zunächst läuft ein Abspeckungs- und Sparprogramm in der Stuttgarter Wagen-Burg. Dann sollen, parallel entwickelt, Brennstoffzelle oder Batterie die Antriebe der Wahl werden – noch sind die Kunden eher skeptisch. In der Speditionsbranche geht es um Zeit und Geld – beides spricht momentan noch für die Herrschaft des Diesel. An der Börse wird sich der Aufbruch der beiden Daimlers, der eine dann wieder Mercedes-Benz heißend, bald messen lassen – statt rund 90 Milliarden Euro Börsenwert zusammen hoffen die Investoren auf einen gemeinsamen Wert der Getrennten von bis zu 130 Milliarden. Da braucht es tüchtigen Antrieb, in jeder Hinsicht.

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