Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Analysen >

TecDAX: Doom, Gloom, Boom!

Wer sagt’s denn: Die deutschen Technologiewerte sind gar nicht so empfindlich wie man stets vom TecDAX behauptet hat.

Wer sagt’s denn: Die deutschen Technologiewerte sind gar nicht so empfindlich wie man stets vom TecDAX behauptet hat.

Von Reinhard Schlieker

2003, bei seiner Gründung, war das schimpfliche Ende des Neuen Marktes mit seinem NEMAX 50 noch nicht lange her und so mancher witterte hinter der Kreation der Deutschen Börse den Versuch, das Zockerparadies wieder zu eröffnen, mit der Zockerhölle gleich nebenan. Sieht man sich jedoch die Aufnahmekriterien und den längerfristigen Kursverlauf an, sind die Hochtechnologieaktien keineswegs so sprunghaft wie die alten vom Neuen Markt, die manches Mal sehr schnell wirklich sehr alt aussahen.

Im gerade vergangenen März allerdings bot sich nun die Einstiegsgelegenheit für alle, die den anhaltenden Aufstieg verpasst hatten – und nach der brutalen Coronadelle, ähnlich ausgeprägt natürlich bei den anderen Indizes fast weltweit, ging es denn auch so schnell um die verlorenen 1000 Punkte wieder bergauf, dass man von massenhaften Käufen ausgehen sollte; wenn man den privaten und Kleinanlegern Gutes wünscht, dann mögen sie dabei gewesen sein. Die vielen Profi-Investoren, die stets antizyklisches Anlegen predigen und selbst zyklisch handeln wie sonst keiner, dürften es nicht allein gewesen sein. Jedenfalls sind einige alte Bekannte dabei im Index, der zudem offen ist für die anderen Dax-Familienmitglieder – Mehrfachnotierung möglich. Aixtron war schon einer der Neuer-Markt-Pioniere, mit seiner innovativen Lichttechnik eigentlich eine zukunftsträchtige Sache; Drillisch kannte man von alters her, Qiagen und Nemetschek auch, und in der Biotechnologie gibt es mit Evotec und Morphosys ebenfalls Veteranen des Modernen.

Prägend für den TecDAX sind allerdings inzwischen Schwergewichte wie Telekom, Infineon, Siemens Healthineers, United Internet oder SAP. Der Fokus für Marktbeobachter liegt natürlich auf der Frage, welche Aufsteiger die künftigen Mitglieder des TecDAX werden könnten, und da wird es sehr spekulativ, möglicherweise aber lohnend. Die Hürden sind hoch, der Prime Standard der Deutschen Börse stellt die Messlatte dar. In Deutschland, von wo ein TecDAX-Wert kommen muss oder seinen Verwaltungssitz haben, jedenfalls, bilden sich seit jeher Cluster von innovativen Unternehmen: München und das nahe Martinsried sind solche Adressen, die deutsche Hauptstadt dürfte eines der kommenden Zentren sein für Kandidaten des Börsenaufstiegs.

Die Diskussion um die traditionellen Schwergewichte der deutschen Wirtschaft hat natürlich im Mittelpunkt das kommende Schicksal der Maschinenbau- und Automobilindustrie, wobei oft nicht erwähnt wird, dass deren Gewicht längst nicht auf industrieller Fertigung in alt hergebrachtem Stil ruht, sondern Hightech darstellt. Im TecDAX sind zahlreiche Vertreter dieser Bereiche notiert – Halbleiterindustrie, Maschinenbau-Software-Dienstleister, Medizintechnik, Optik und Elektrotechnik. Glaubt man den teils düsteren Prophezeiungen für die deutsche Industrie – eine Art „Gloom and Doom“ stets im Zentrum, dann müssten die DAX- und MDAX-Werte, soweit sie nicht selbst schon Technologieaktien sind, bald deutlich an Gewicht verlieren, der TecDAX hingegen weiter zulegen. Spekulativer sind dann noch die Unternehmen auf der inoffiziellen Warteliste, und etliche weitere bieten für Privatanleger (noch) keine Chancen und Risiken, denn sie befinden sich in Finanzierungsrunden solventer Venturekapitalisten. Manchmal schade, eigentlich. Manchmal aber auch ein Segen: Schon mancher ist nach drei Runden mit Millionenspritzen dann doch in der Versenkung verschwunden.

Wer es wirklich wissen will mit Technologie zwischen Boom und Doom, der findet im Technology All Share Index reichlich uralte Bekannte, die irgendwie alles überlebt haben, manchmal nur knapp, und vielleicht die Kandidaten fürs Prime Segment der nächsten Jahre. Wer allerdings überhaupt nicht mehr an den traditionellen Industriestandort Deutschland glauben will, der darf auch die unterstützenden Hightech-Firmen nicht völlig unabhängig davon bewerten. Bei vielen von ihnen hängt das Wohl und Wehe vom Gedeihen ganz anderer Branchen ab als man auf den ersten Blick erwarten würde.

Lesen Sie auch: Münchener Rück: Gut und Günstig