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Die Davosianer

Es ist Januar – Gipfelzeit. Am 8. Januar hat der Ludwig-Erhard-Gipfel in Rottach-Egern am Tegernsee den Anfang gemacht. Jetzt wandert der Tross weiter in die Alpen hinein. Das World Economic Forum (WEF) steht vor der Tür, das jährlichen Treffen in den Schweizer Alpen. Dorthin kommen mittlerweile fast ebensoviele Politiker, Künstler, Wissenschaftler – und noch eine ganz andere Form von Artisten: Manager, zu deren Nutz und Frommen das ganze Bergbohei einst erfunden wurde.

BÖRSE am Sonntag

Es ist Januar – Gipfelzeit. Am 8. Januar hat der Ludwig-Erhard-Gipfel in Rottach-Egern am Tegernsee den Anfang gemacht. Jetzt wandert der Tross weiter in die Alpen hinein, das World Economic Forum (WEF) steht vor der Tür. Und dieser Gipfel hat so seine ganz eigenen Gesetze – das macht wohl einen Teil seiner Bedeutung aus. Zum jährlichen Treffen in den Schweizer Alpen, das diese Woche beginnt, kommen mittlerweile fast ebensoviele Politiker, Künstler, Wissenschaftler – und noch eine ganz andere Form von Artisten: Manager.

Es waren ursprünglich eindeutig Letztere, zu deren Nutz und Frommen das ganze Bergbohei einst erfunden wurde. Initiator Klaus Schwab, jenseits aller bekannten Pensionsgrenzen unterwegs und gerade erst wieder Autor eines Buches über modernes Wirtschaften im Angesicht stets neuer Probleme, lässt sich seinen Auftritt in den Bergen keinesfalls nehmen. Seit 1971 ist er Spiritus Rector und hat es geschafft, inzwischen gut 2500 bedeutende Persönlichkeiten alljährlich um sich zu versammeln. Bis zur 50. Wiederkehr des Schnee-Events ist es nicht mehr lange hin. Da wäre Schwab 92. Seine multinationale Stiftung läuft wie eine gut geschmierte Maschine, mit Aktivitäten in aller Herren und Herrinnen Länder. Dieses Jahr hat die Zusammenkunft das Motto "Industrie 4.0", was inzwischen fast jedermann kennt als das berühmt-berüchtigte Internet der Dinge. Das ist natürlich ein brandaktuelles Thema, und wenn man sich jüngst auftauchende Einlassungen zu Begriffen wie "Dienstleistung 4.0" oder gar "Verwaltung 4.0" zu Gemüte führt, kann einem himmelangst werden.

In Davos verschwindet das Topthema meist kurzfristig von der Agenda der mitreisenden Journalisten, egal wie tapfer das Forum auch versucht, seine ursprünglichen Pläne in diversen Veranstaltungsreihen hochzuhalten. Im Vordergrund stehen dieses Jahr sicherlich die Themen Flüchtlinge, Terrorismus und vermutlich die Konflikte, die sich aus den abfallenden Rohstoffpreisen ergeben – Öl natürlich prominent im Vordergrund. Veritable Rohstoffkriege scheinen nicht mehr ausgeschlossen, nimmt man den Kurs Saudi-Arabiens als Indiz, das mit seinem auch selbstschädigendem Vorgehen in Sachen Förderquote Iran unter Druck setzt – dort braucht man zur Kostendeckung einen Ölpreis, der ein Vielfaches des heutigen Stands beträgt. Aber zurück zur 4.0: Es dürfte in den Diskussionen sicherlich interessant werden, wie sich die Entwicklung in den Dienstleistungssektoren entwickeln wird. Die Tendenz, den Menschen überall dort einzusparen, wo Computer seine Aufgaben übernehmen und vermeintlich gut oder besser erledigen können, ist keineswegs neu.

Die Frage stellt sich aber, wo ein definitives Ende der Entwicklung auftauchen wird. Zukunftsträume mancher Beobachter, eher Traumata für kritischere Geister, entwerfen ja bereits den computerisierten Alltag inklusive elektrischer Reporter (oder Kolumnisten, wo wir schon mal dabei sind), digitaler Sekretärinnen und sogar ihrer Vorgesetzten. Was verschwiegen wird: Die digitale Ökonomie fordert den ganzen Kunden. In den am weitesten fortgeschrittenen Branchen, zum Beispiel dem Telefonsektor, sind die Abnehmer des Produkts entweder vollständig verzweifelt, mittel genervt oder einfach apathisch. Die Dauerbeschäftigung mit einer Hotline hinterlässt tiefe Furchen der Erschöpfung in den Gesichtern der Betroffenen, und es darf vermutet werden, dass sich ein Geschäftszweig der Kundenbetreuung entwickeln wird, in dem erfahrene und geschulte Psychologen mit der Tröstung von Telekom-, Vodafone- oder O2-Kunden beschäftigt sind, ehe auch sie durch Computer ersetzt werden. Derartige Visionen darf man angesichts der Vielfalt der Teilnehmer in Davos sicherlich erwarten auf den hunderten Podien, die es im Angebot gibt. Der Gruselfaktor wird nicht zu kurz kommen.