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Die KPC AG? Eine revolutionäre Geldidee

Im fernen China gehen die Uhren anders – ja logisch, hat auch ein paar Zeitzonen nur für sich. Nein, das ist aber nicht gemeint: Es geht um die dortigen Börsen, und wer da regiert. Genau genommen sollten das Kapitalanleger sein, unter Organisation der jeweiligen Börse, und das alles idealerweise unter Aufsicht einer klugen Behörde, und alles strebt nach Harmonie, Gleichmut und Gelassenheit, wie es Konfuzius befahl, um Einklang mit dem Weltganzen zu finden.

Im fernen China gehen die Uhren anders – ja logisch, hat auch ein paar Zeitzonen nur für sich. Nein, das ist aber nicht gemeint: Es geht um die dortigen Börsen, und wer da regiert. Genau genommen sollten das Kapitalanleger sein, unter Organisation der jeweiligen Börse, und das alles idealerweise unter Aufsicht einer klugen Behörde, und alles strebt nach Harmonie, Gleichmut und Gelassenheit, wie es Konfuzius befahl, um Einklang mit dem Weltganzen zu finden.

Von Reinhard Schlieker

Nun ist die chinesische Kommunistische Partei (KPC) nicht ganz so alt wie Konfuzius, nämlich nur hundert statt gut 2.500 Jahre. Vielleicht deshalb agiert sie an den Börsen des Reiches eher hektisch und Disharmonie streuend, und von Gleichmut keine Spur. Abgebrüht statt abgeklärt, regiert die KP mit dem von ihr beherrschten Staatswesen in den Handel mit börsennotierten Unternehmen wie auch Börsenaspiranten, und die Gründermilliardäre in Schanghai oder Peking oder auch Hongkong wissen ein garstig Lied davon zu singen, neuerdings.

Denn eigentlich hatte sich alles gut angelassen, vor allem auch für Investoren aus der restlichen, besonders der westlichen Welt. Aufstrebende Hightech-Unternehmen aus China waren und sind mehr als ein Geheimtipp, es gibt ETFs, Fonds, Optionen – was das Herz begehrt, wird geliefert, und längst sind Privatanleger keine exotischen Erscheinungen an der Börse in Fernost. Allerdings gibt es drohende Zeichen aus der Zentrale der kommunistischen Macht, die doch angeblich die Kräfte des Marktes zum Wohle des Ganzen wollte walten lassen. Vor einiger Zeit schon traf es den Herrn von Alibaba persönlich: Jack Ma, gefeierter Börsenheld auf Foren in aller Welt, schien plötzlich verschwunden, und so manchen fröstelte es tief im Innern, weil doch so etwas in alten Zeiten der KP-Herrschaft ein untrügliches Zeichen war, dass da jemand ohne Beschreiten des Rechtsweges schuldig erklärt wurde, und wessen, das ist geheim. Wer die Unsicherheit am Kurs ablesen will, kann das tun: Von rund 260 Euro auf momentan etwa 160 Euro verbilligte sich das Papier, da kam seinerzeit als Schocknachricht auch noch der abgesagte Börsengang der Finanzsparte Ant Financial (Alipay) hinzu: Praktisch mitten ins Geschehen war die Staatspartei gegrätscht mit der Anschuldigung, Jack und seine Genossen hätten die Finanzmärkte manipuliert. Ein herrlicher Vorwurf, von dieser Seite. Man spürte förmlich den Neid der Gerontokratie und könnte da höchstens empfehlen, die KPC höchstselbst in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln und an die Schanghaier Börse zu bringen, oder gar die Wall Street? The sky is the limit! Neben Geld und guten Worten könnte das viel Renommee bringen, allerdings gäbe es möglicherweise Probleme mit Insiderwissen und vor allem Aktionärsdemokratie… also doch kurzfristig vielleicht keine zukunftsweisende Strategie.

Wo waren wir? Ach so, Alipay. Die gute Nachricht: Der global agierende und in China extrem starke Anbieter aller denkbaren Zahlungsdienste ist weiterhin da, und unter dem Dach von Alibaba. Deren Aktie müsste also profitiert haben, allerdings ist es die Natur der Sache, dass sie dies nur tun kann, wenn der Staat sich zuvor von Gehorsam und Willfährigkeit des Konzerns im allgemeinen und des Jack Ma im besonderen überzeugen lässt. Das ist bisher offensichtlich weder bei Alibaba noch bei anderen, teils noch aufstrebenden Unternehmen geschehen. Weswegen China nun neben Einzelfirmen auch gleich die ganze einheimische Börsenwelt ins Visier nimmt. Das macht naturgemäß nicht Halt vor ausländischen Handelsplätzen, vor allem die New Yorker Börsen, wo chinesische Newcomer bevorzugt ihr Auslandslisting anstreben; auch die Börse Hongkong ist im Zuge der ohnehin aggressiveren Politik Pekings gegenüber den Sonderrechten der ehemaligen britischen Kronkolonie in den Fokus der chinesischen Börsenaufseher geraten, deren Wirken nicht gerichtlich überprüft werden kann. So konnte Peking in diesem Monat einfach verfügen, dass der Fahrdienstleister Didi Chuxing aus den App Stores in China zu verschwinden hat.

Eine offenbar fatale Fehleinschätzung des Didi-Managements war es, den Börsengang Ende Juni gegen deutliche Hinweise, ja Warnungen aus der herrschenden KP durchzuziehen. Von den 14 Dollar beim Börsendebüt, bis auf 16 gestiegen kurzzeitweise, ist inzwischen mehr als ein Drittel verschwunden – kein Wunder, ohne Präsenz der App ist ein mobiler Fahrdienstleister eher uninteressant; man hofft nun auf eine Einigung mit den Behörden, dann hätte Didi viel Potenzial: In China lag der Anbieter bereits deutlich vor dem US-Konkurrenten Uber.

Der generell modische Vorwurf der chinesischen Aufseher gegenüber Didi wie auch Alipay oder dem Suchmaschinenbetreiber Baidu (Kurs: etwa 138 Euro, Höchststand im Februar: 280 Euro!) lautet ausgerechnet: Nichtbeachtung des Schutzes persönlicher Daten und Datensicherheit ganz allgemein. Das trifft sie alle, und man meint, gemeines Hohngelächter aus den Fluren der Macht zu vernehmen: Chinesischer Schutz persönlicher Daten! So, wie reguläre Börsianer nun mal gestrickt sind, geraten sogar andere Hoffnungswerte aus China unter ängstlichen Druck, wenn auch in Maßen, wie etwa der Elektroauto-Pionier Nio aus Schanghai oder der Pekinger Smartphone- und Elektronikhersteller Xiaomi. Eine Vorahnung über die Macht der Offiziellen konnte man beim Kursrutsch im März dieses Jahres erhaschen, als eine eher unbestimmte Warnung der chinesischen Behörden vor „übertriebenen Bewertungen“ einheimischer Unternehmen sich in starken Einbußen vor allem an der NASDAQ niederschlug. Wie private Anleger solche Unwägbarkeiten in ihre Einschätzung chinesischer Aktien einbauen könnten, ist rätselhaft wie das Wesen der KPC: Konfuzius forderte noch, dass die Entscheidungen eines Regenten dem Volk gegenüber nicht willkürlich sein dürften, aber die Staatspartei scheint in diesen Dingen eher dem westlichen Macchiavelli folgen zu wollen, was ja auch von einer schönen internationalen Lernfähigkeit kündet.

Für manche Naturen mag das einen zusätzlichen Reiz bedeuten beim ohnehin stets unvorhersehbaren Börsengeschäft. Alle anderen könnten entweder hoffen, dass sich unternehmerischer Erfolg auch in China als langfristig überzeugend und durchsetzungsfähig erweist – oder nur jenen Teil der verfügbaren Mittel dort investieren, der notfalls eine herbe, langgestreckte Delle verträgt. Angesichts der weiter zunehmenden Bedeutung Chinas, vor allem mit der frühen Erholung der dortigen Wirtschaft nach den Corona-Depressionen, kann man dem langen Arm der börsenaversen KPC allerdings auch dort kaum entgehen, wo vermeintlich China keine Rolle spielt. China spielt inzwischen fast überall eine Rolle, und ob das eine gute Nachricht ist, bleibt der Phantasie des Einzelnen überlassen.