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Die Luftfahrt und die gute alte Zeit

Weihnachten 2017 war die Welt der stolzen Lufthanseaten wenn nicht in Ordnung, so doch wenigstens mal friedlich, das Wetter erträglich an den Drehkreuzen in Mitteleuropa, die Gewerkschaft adventlich gestimmt und vor allem auch der Aktionär ein auf dem Papier reich beschenkter Stakeholder in dem ehemals staatlichen Unternehmen.

Weihnachten 2017 war die Welt der stolzen Lufthanseaten wenn nicht in Ordnung, so doch wenigstens mal friedlich, das Wetter erträglich an den Drehkreuzen in Mitteleuropa, die Gewerkschaft adventlich gestimmt und vor allem auch der Aktionär ein auf dem Papier reich beschenkter Stakeholder in dem ehemals staatlichen Unternehmen.

Von Reinhard Schlieker

Über 31 Euro bezahlte man für das Lufthansa-Papier, vorher nicht und seither nie erreicht. Für den Anleger stimmte da fast alles – solide Basis, guter Ruf, sinnvolle Geschäftsfelder und globalisiert gute Aussichten. Seither rumpelt es keineswegs nur im Frachtraum. Die lufthansatypischen Gewerkschaften agieren traditionell feindselig, jeder will sich bedienen am nur scheinbar reich gedeckten Tisch des Kranich, und die einzige Befriedigung, die ein gebeutelter Aktionär heute empfinden könnte, schadenfroh wie mancher sein mag, ist, dass die Sparten-Krieger plötzlich sich verwundert die Augen reiben, denn man hat jetzt die Wahl zwischen Insolvenz und Rück-Verstaatlichung. Da fällt kein Krümel mehr von ebenjenem Tisch, und es geht um Arbeitsplätze pur und ohne Bonus. Auch wenn man etwa bei „UFO“, der Kabinengewerkschaft, von staatlicher Rückendeckung bei den durchaus, nun ja, interessanten Wünschen der Arbeitnehmervertreter auf Rückhalt träumt – der Steuerzahler möge die Tafel schon wieder decken: Der Staat allerdings ist ein bisschen anderweitig beschäftigt derzeit, das hofft der eine und fürchtet der andere.

Zurück zur Börse. Die pessimistischeren unter den Analysten trauen der LH einen Kurs um die 2,50 Euro zu, die sonnigen Gemüter schon wieder 10 bis 13. Bei rund acht Euro lungert die labile Lufthansa in der Lounge, die leer ist wie das Rollfeld, außer das mit den geparkten Jets immerhin. Die stolze Großflotte ist unterwegs nach Aragon, wo man in der spanischen Sonne halbwegs rostfrei parken darf. Was auf anderen Friedhöfen ja strengstens verboten ist, es sei denn, man kommt, um zu bleiben.

Der steinzeitliche Keulenschlag, der auch das Lufthansa-Management getroffen haben dürfte, ist für den Laien schwer vorstellbar und daher besonders unerträglich. Jetzt geht es um staatliche „Beteiligung“ an den Lasten, im Gespräch war zuletzt etwa der doppelte Börsenwert der Lufthansa. Da wäre es wohl vermessen, wenn auch begründbar, dem Staat Sitz und Stimme im Konzern zu verleihen. Wobei – hereinreden, das tat er auch bis jetzt schon reichlich. Im Moment tun das im Übrigen indirekt so gut wie alle Staaten einfach durch Einreiseverbote, notgedrungen, womit ein Hauptgeschäftsfeld der Fliegerei nicht existent ist derzeit. Die Lufthansa etwa wird nun rund 330 Flugverbindungen von Frankfurt und München anbieten. Wöchentlich, heißt das und ist schon eine Steigerung. Interessanterweise ist Göteborg dabei, das ist in Schweden. Dort wo alle Kritik hinzielt jener Lockdown-Apologeten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Sodann wäre da noch, zumindest bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe, die Insolvenz in Eigenregie, unter einem Sachwalter. Damit könnte Konzernchef Carsten Spohr wohl noch am ehesten leben, denn es steht nicht weniger als ein Neuaufbau an. Wird der Luftverkehr nicht bald wieder, wie er war, und das ist unwahrscheinlich, müssen ganze Strukturen im LH-Konzern neu gebaut, zurückgestutzt oder angepasst werden. Angeblich 10.000 Arbeitsplätze werden schlicht überflüssig, was ein Schlaglicht wirft auf das, was in vielen deutschen Branchen und Unternehmen weitgehend undiskutiert im Raum steht wie der berühmte weiße Elefant. Das Wort Massenarbeitslosigkeit wird wieder erweckt zu ungutem Leben. Die Luftfahrt ist da womöglich nur apokalyptischer Vorreiter.

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