Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Analysen >

Etwas ratlos

Die Telekommunikationsbranche ist im Umbruch, hört man. Das ist aber eine Überraschung! Soweit man das verfolgen kann, ist sie das seit rund Hundert Jahren – zugegebenermaßen jüngst aber immer stärker. Allerdings haben wir das heutige Phänomen, dass ratlos erscheinende Branchenriesen auf der Suche nach sinnvoller Beschäftigung sind, wohl wirklich erst seit Kurzem.

BÖRSE am Sonntag

Die Telekommunikationsbranche ist im Umbruch, hört man. Das ist aber eine Überraschung! Soweit man das verfolgen kann, ist sie das seit rund Hundert Jahren – zugegebenermaßen jüngst aber immer stärker. Allerdings haben wir das heutige Phänomen, dass ratlos erscheinende Branchenriesen auf der Suche nach sinnvoller Beschäftigung sind, wohl wirklich erst seit Kurzem.

Noch um die Jahrtausendwende waren Mobilfunkbetreiber bereit, einem Staatswesen als Eigentümer von Lizenzen Milliarden hinüberzuschieben in der Hoffnung, dass dies ein Goldrausch würde. Aber da kam leider der Crash des Neuen Marktes dazwischen – ein Börsensegment, das von den Telekommunikationsfirmen überhaupt erst aufgepustet worden war. Robert T. Online selig konnte gar nicht genug kriegen von all den tollen Sachen, die man mit und im und rund um das Internet alles machen konnte. Was auch heute noch gilt: Machen kann man vieles, viel mehr sogar als 2001, aber der Tag hat immer noch 24 Stunden, und arbeiten wollen die Leute auch (wenn sie nicht arbeitslos sind, was ihr Budget für „Zusatznutzen“ der Heimelektronik irgendwie begrenzt). Die Deutsche Telekom ist ein gutes Beispiel dafür, wie man strampeln, aber dennoch irgendwie nicht weiterkommen kann. Seit zwei Jahrzehnten auf der Suche nach dem großen Wurf, verlegte man sich zunächst auf den Nutzen des Kunden hierzulande, bot dann technisch Ausgefeiltes für Fortgeschrittene, kaufte weltweit im Glauben an Größe und landete nun im Wesentlichen wieder zu Hause, sein Glück im Mobilfunkgeschäft und den Neuen Medien zu machen. Das Angebot satten Fernsehgenusses zusammen mit dem Telefon ist sicher qualitativ über manchen Zweifel erhaben, ist allerdings im breiten Markt wohl in etwa so durchschlagend erfolgreich wie die Super-Super-Kraftstoffe von Shell, Aral und Konsorten es im Tankstellenverkauf sind: Eine exklusive Minderheit leistet sich etwas, dessen Vorteil nicht immer erkennbar ist (wobei das Tanken von Powerdiesel zum Literpreis von Saft aus handgepflücktem Obst schon so etwas richtig Exzentrisches hat). Die Zeit wird kommen, da sind all die rosaroten Heim-Unterhaltungsangebote wahrscheinlich ein „Must have“. Bis dahin allerdings muss die Telekom auch im Brot- und Butter-Geschäft verdienen, gleichzeitig guten Service bieten, schon um den Markennamen nicht zu verbrennen, und auch noch Wettbewerber und Regulierer auf Distanz halten. Im Kabelgeschäft, bei den Netzen in der Erde und am Himmel und im All, wo man es nicht sieht, entsteht der dicke Kostenblock, der hier im Wohnzimmer im zweiten Stock verdient werden will.  Da mag man bei Telekoms unter dem Sofa noch manches Suppenhaar finden, während andere wie Apple scheinbar mit leichter Hand und völlig unbeschwert von irdischen Dingen wie Bundesnetzagenturen und dergleichen stilprägende Produkte liefern und plötzlich eine ganze Branche auf neuen Kurs bringen. Wenn der Telekom es gelänge, über bloße Verkaufspartnerschaften hinaus mit solchen Erneuerern, am besten sogar noch bislang unbekannten Ideenschmieden, den Schulterschluss zu wagen, könnte etwas herauskommen. Fraglich aber, ob dazu der Mut, die Unternehmenskultur und der lange Atem vorhanden wären in Bonn.