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Kapital ist kein Konzept

Karstadt gerettet? Nach dreizehn Monaten in der Insolvenz soll es bergauf gehen mit dem Kaufhauskonzern, so der Investor Nicolas Berggruen, der sich als glücklich bezeichnete, dass die Übernahme der „Kultmarke“ in letzter Minute geklappt hat. Hilfreich war sicherlich, dass von den Anteilseignern und Gläubigern des Vermieter-Konsortiums Highstreet niemand den Schwarzen Peter haben wollte: Derjenige zu sein, der einem Mietnachlass nicht zustimmt und damit bei Karstadt den Stecker zieht. Die geforderten 400 Millionen Erleichterung bekam Berggruen so zusammen.

BÖRSE am Sonntag

Karstadt gerettet? Nach dreizehn Monaten in der Insolvenz soll es bergauf gehen mit dem Kaufhauskonzern, so der Investor Nicolas Berggruen, der sich als glücklich bezeichnete, dass die Übernahme der „Kultmarke“ in letzter Minute geklappt hat. Hilfreich war sicherlich, dass von den Anteilseignern und Gläubigern des Vermieter-Konsortiums Highstreet niemand den Schwarzen Peter haben wollte: Derjenige zu sein, der einem Mietnachlass nicht zustimmt und damit bei Karstadt den Stecker zieht. Die geforderten 400 Millionen Erleichterung bekam Berggruen so zusammen.

Doch was nun? Bis auf die Eigentümerschaft und kühnen Pläne ist bei Karstadt alles so, wie es war. Fast schon könnte sich die Kaufhauskette rühmen, zu den letzten Überlebenden dieser Gattung zu gehören – Hertie, Horten und Konsorten: Längst verschwunden oder geschluckt. Andere Vielsortimenter kamen aus dem Ausland und verschwanden wieder dorthin, nur Kaufhof mit seiner starken Mutter METRO hält noch durch, aber fast flehentlich hatte METRO-Chef Cordes in der Vergangenheit schon ein Zusammengehen mit Karstadt beschworen. Nicolas Berggruen wird sich nicht bei Zahlen und Kosten aufhalten können, er muss ein Konzept entwickeln. Die Misere der Kaufhaus-Idee währt schon lange, ebenso lange versuchen wechselnde Manager, mit zündenden Ideen aufzuwarten, vergeblich. Drogeriemärkte, Schuhketten, Heimwerkermärkte und Riesensupermärkte graben dem Warenhaus das Wasser ab. Teils in den Innenstädten, teils parkplatzoptimiert vor den Stadttoren locken die Konkurrenten mit einem spezialisierten und größeren Angebot. Da bleibt nur ebenfalls Spezialisierung: Dazu müsste man zunächst einmal identifizieren, was ein Kunde im Kaufhaus eigentlich sucht und erwartet. So wie heute, mit einer jeweils sehr abgespeckten Auswahl von allem Möglichen, wird es nichts werden. Ein paar Bücher, ein bisschen Lampenauswahl, drei oder vier Schraubenzieher und noch eine kleine Ecke mit Haushaltswaren – das kann es nicht sein.

Vermutlich wird Berggruen zumindest in den Premium-Häusern einiges verändern müssen, auch am Erscheinungsbild. Die Innenarchitektur hinkt dem Zeitgeist weit hinterher. Boutiquencharakter erwarten die Leute, und damit könnte Karstadt auch aus seinen Flächen in begehrter Innenstadtlage einiges mehr herausholen als zuvor und außerdem den doch meist eher am Rande liegenden Einkaufszentren Konkurrenz machen. Dazu kommen andere Stärken, die man ausspielen könnte, wenn denn das Geld reicht: Mehr Personal für Beratung einsetzen, Zusatzdienste anbieten, mit dem Sortiment eher am Puls der Zeit bleiben. Berggruen wird also ungewöhnliche Fantasie, noch reichlich Geld und sehr viel Standvermögen mitbringen müssen, um diese Aufholjagd zu gewinnen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein gutwilliger Investor übernimmt. Für die rund 25.000 Mitarbeiter aber diesmal tragisch: Verzicht auf Gehalt, Stellenabbau, all das war schon. Nun wäre ihnen zu wünschen, dass eine zündende Idee den Laden nachhaltig in Schwung bringt.