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Können Banken bluten?

Fintech heißt Bänkers nächstes großes Ding, the next big thing. Die Sorte Empire, die Wells Fargo repräsentiert, knacken inzwischen die Silicon-Valley-Ikonen. Sie heuern veritable Investmentbanker an wie Anshu Jain, sie transferieren das Banking aufs Smartphone oder die Apple Watch, dass es der Citibank schwindlig wird. Auch in Deutschland bieten hunderte solcher Fintechs ihre Dienste an. Aber: ist alles nur ein Hype? Reinhard Schlieker kommentiert.

BÖRSE am Sonntag

Fintech heißt Bänkers nächstes großes Ding, the next big thing. Die Sorte Empire, die Wells Fargo repräsentiert, knacken inzwischen die Silicon-Valley-Ikonen. Sie heuern veritable Investmentbanker an wie Anshu Jain, sie transferieren das Banking aufs Smartphone oder die Apple Watch, dass es der Citibank schwindlig wird. Auch in Deutschland bieten hunderte solcher Fintechs ihre Dienste an. Aber: ist alles nur ein Hype?

Von Reinhard Schlieker

Wer sich an die Walt-Disney-Verfilmung der Geschichte von „Mary Poppins“ erinnert, 1964 war das und spielte im London von 1910, dem wird der unheimliche Saal jener Bank präsent sein, in welcher ältliche gnomartige Bankbeamte die Sparpfennige der Kinder zu ergreifen versuchen, um aus ihnen ein Vermögen zu machen, mit Zins und Zinseszins. Der Widerwille der Kinder führt zu Tumult und am Ende zum Zusammenbruch der Bank, mitsamt ihren Marmor- und Messingartefakten, Ärmelschonern und ihrer Unnahbarkeit. Die Kinder retten ihre Pennies, kaufen damit Vogelfutter für hungernde Täubchen – und alles war gut. Da sah man, dass ein mächtiges Geldhaus bluten kann und das britische Empire zumindest erschüttert werden kann.

Die renitenten Gören und ihr zumindest leicht abgedrehtes Kindermädchen erkennt manch gediegener Banker, Ärmelschoner hin oder her, heutzutage in den sogenannten Fintechs, kurz für Anbieter von Finanztechnologie und damit eindeutig Konkurrent des persönlich-privaten Bankgeschäfts mit Filialen und Kunden. Rund 12.000 dieser meist als Startup anzusehenden Firmen gibt es weltweit, Deutschland ist gut dabei. Seinen Charme entwickelte der Urahn der Bewegung, Paypal, zuerst in Amerika, wo aus unerfindlichen Gründen mit Schecks und Schuldpapieren hantiert wird, als sei die Datenleitung noch ferne Zukunft und Wells Fargo samt Postkutsche der letzt, naja der vorletzte Schrei.

Die Sorte Empire, die Wells Fargo repräsentiert, knacken inzwischen die Silicon-Valley-Ikonen. Sie heuern veritable Investmentbanker an wie Anshu Jain, sie transferieren das Banking aufs Smartphone oder die Apple Watch, dass es der Citibank schwindlig wird und ganz mulmig zumute. In Deutschland bieten hunderte solcher Fintechs ihre Dienste an und sorgen dafür, dass die Grenzlinien verschwimmen: Apps mit Namens wie „Outbank“ oder „Number26“ lassen den Nutzer allerlei Konten in einer einzigen Anwendung verwalten.

Die Großen, wie etwa die Deutsche Bank, kaufen sich die Digitalisierung schlicht und ergreifend einfach dazu, Sparkassen und Kreditgenossen sind on the move. Alle herkömmlichen Banken sehen in Umfragen die Fintechs als Konkurrenz, Bedrohung – und Partner. Denn oft haben die Kleinen, chronisch unterfinanziert durch Wagniskapital, weder Nerv noch Voraussetzung zur Beantragung einer Banklizenz. Da muss als Partner ein „echtes“ Finanzhaus her. Umgekehrt scheut sich eine Deutsche Bank nicht, via eigenem virtuellen Portal Kunden den Zugang zu ihrem jeweiligen Geldhaus anzubieten. In Zeiten immer trickreicher werdender Zahlungsströme, berührungsloser Terminal-Apps und Rechnungsbegleichung mit Hilfe der Handy-Kamera verschwimmen Grenzen sowieso als wären sie nur in den Himmel gemalt.

Alles also ein Hype? Sicherlich, das Pulver hat keiner der auf dem Markt konkurrierenden Hiphop-Banker erfunden, und wer am Ende von den Zahlungsströmen, die er managt, auch etwas auf die eigene Mühle leiten kann, ist längst nicht ausgemacht. Paypal ist sicher kein Übernahmekandidat mehr, Konkurrent Lending Club hingegen hat seinen Aktionären bisher nichts als Ärger gemacht – von über 20 Dollar beim Börsengang 2015 ging es steil bergab auf gerade mal noch sechs. Crowdfunding, Crowdlending sind hochriskante Geschäfte – und was eine Kreditausfallrate ist, weiß man bei der Sparkasse im Schlaf, in der Garage des Startups lernt man es erst noch: Manchem Fortschrittspapst blutet das Herz. Doch ein bisschen Marmor allemal wird bleiben.