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Lufthansa: Das Neue ist fast das Alte, nur fast noch schlimmer

Geschäftsreisen sind geradezu eingebrochen, Tourismus findet nur unter allergrößter Vorsicht statt. Derzeit verbrennt die Lufthansa rund 500 Millionen Euro im Monat. Sollte sich nicht rasch einiges zum Besseren wenden, droht wieder das Unvorstellbare, die Pleite. Für Anleger bedeutet die undurchsichtige Gemengelage nicht viel Gutes.

Geschäftsreisen sind geradezu eingebrochen, Tourismus findet nur unter allergrößter Vorsicht statt. Derzeit verbrennt die Lufthansa rund 500 Millionen Euro im Monat. Sollte sich nicht rasch einiges zum Besseren wenden, droht wieder das Unvorstellbare, die Pleite. Für Anleger bedeutet die undurchsichtige Gemengelage nicht viel Gutes.

Von Reinhard Schlieker

Die Erleichterung war spürbar, aber vorschnell. Seit Juli des Jahres freuten sich die europäischen Airlines in Maßen über einen absehbaren Aufbruch aus dem Schockzustand des vergangenen Winters und Frühjahrs, als die Corona-Pandemie derart tiefe Einschnitte ins Geschäftsmodell mit sich brachte, dass Pleiten nicht mehr auszuschließen waren; bei Lufthansa erfolgte der Einstieg des rettenden Staates mit neun Milliarden Euro frischem Geld zügig, vergleichsweise. War wohl auch nötig, denn mit den tatsächlichen Hürden im Luftverkehr konnte man Anfang des Jahres noch kaum rechnen.

Der Kursabsturz im Februar von rund fünfzehn auf nur noch wenig mehr als sieben Euro trug der Tatsache Rechnung, dass bei Lufthansa ohne planbares Fluggeschäft sehr rasch die Lichter ausgehen könnten. Von Schutzschirmverfahren war die Rede, die Staatsbeteiligung erschien dann aber doch als vielversprechender: Schließlich würde der Ausnahmezustand ja nicht ewig dauern. Mit heutigen Kursen pendelnd um die neun Euro ist aber schon klar gesagt, dass einstige Höhen wie Ende 2019 weit entfernt liegen, da lichtet sich auch kein Nebel, im Gegenteil: Was nicht nur die Lufthansa an der Erholung hindert, ist vor allem die unkalkulierbare Ausrufung von Risikogebieten und damit verbundene Reisewarnungen – so können wir nicht arbeiten, hört man es aus den europäischen Lobbyverbänden des Luftverkehrs. Mag stimmen, aber die Staaten sind derzeit noch nicht so weit, international verlässliche Kriterien für coronabedingte Warnungen und Reglementierungen zu erlassen, und Luftverkehr spielt sich nun mal interkontinental ab.

Dabei ist dem Lufthansa-Management beispielsweise die Phantasie nicht abzusprechen. Angebote zum kostenlosen Umbuchen gibt es ebenso wie Zusicherungen, alles zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit beizutragen, was dem Stand der Erkenntnisse entspricht – allein, es hilft nicht viel. Geschäftsreisen sind geradezu eingebrochen, Tourismus findet nur unter allergrößter Vorsicht statt. Die Konsequenz, dreistellige Zahlen von Jets stillzulegen, mag da wie ein zaghafter Rettungsversuch aussehen. Die kerosinsparende Modernisierung der Flotte durch Ausmustern der alten Überseeflieger hilft wenig, wenn auch die übriggebliebenen Flugzeuge nicht wirklich gebraucht werden. Freibleibende Mittelsitze, viel Desinfektion an Bord, Ermunterung zu CoVid19-Tests – all das hilft womöglich, zu einigen zweifelsfrei unbelasteten Regionen aufzubrechen. Dennoch verbrennt die Lufthansa derzeit rund 500 Millionen Euro im Monat, so dass auch die staatliche Milliardenhilfe ein Verfallsdatum besitzt, sollte sich bis Ende 2021 nicht einiges entschieden zum Besseren wenden. Irgendwann droht dann doch wieder das Unvorstellbare, die Pleite.

Dagegen stemmen sich die Lufthanseaten allerdings auch mit Angriff als bester Verteidigung. Zahlreiche neue Ziele touristischer Natur sollen ins Programm, und für Interkontinentales ein ehrgeiziges Kostensenkungs- und Umbauprogramm namens „Ocean“. Was allerdings wiederum auf entschiedenen Widerstand der Pilotengewerkschaft Cockpit stößt, die den Absturz in die Tariflosigkeit fürchtet. Schon jetzt gibt es ja bei Lufthansa und ihren Töchtern zahlreiche Tarifwerke, die erheblich ungünstiger aus Arbeitnehmersicht ausfallen als das, was altgediente Mitarbeiter in ihren Vergütungsrichtlinien vorfinden. Die Frage stellt sich natürlich, ob angesichts eines rechnerischen Abbaus von 22.000 Vollzeitstellen, auch wenn es ohne betriebliche Kündigungen einhergehen soll, für die verbleibenden Lufthanseaten viel Verhandlungsspielraum bleibt. An Einschränkungen und Neuerungen, wie sie beispielsweise bei der Tochtergesellschaft Eurowings inzwischen etabliert sind, führt wohl kein Weg vorbei.

Für Anleger bedeutet die undurchsichtige Gemengelage nicht viel Gutes. Man kann auf einen milden Winter spekulieren, in jeder Beziehung; man kann dem Lufthansa-Vorstand die unbedingte Erfolgsorientierung bescheinigen und ein Ende der viralen Bösartigkeit herbeihoffen. Das MDax-Papier bleibt aber, wie seit neuestem zu konstatieren, ein Risiko-Investment. Mag das in Corona-Zeiten auch für vieles gelten – der Luftverkehr ist in extrem hartem Maße betroffen, wenn es in die falsche Richtung geht, und schlimmer geht womöglich immer.

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