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Halloween im Januar

Wer im Neuen Jahr auf eine jahreszeitliche Rallye gehofft hatte, bekam dieser Tage gleich eine Lektion. Die Experten schweigen angesichts des zeitweise zehnprozentigen Niederganges der deutschen Standardwerte binnen weniger Handelstage. Da dachte niemand an die drei Weisen, also die Heiligen drei Könige, sondern eher an Halloween – und die gruseligste Verkleidung kam aus China.

BÖRSE am Sonntag

Wer im Neuen Jahr auf eine jahreszeitliche Rallye gehofft hatte, bekam dieser Tage gleich eine saftige Lektion. Fast im Crashmodus brachen die chinesischen Märkte und danach auch der DAX ein. Die 10.000-Punkte-Marke ist gefallen vorerst.

Man erinnere sich an die vielen Gründe, die in früheren Jahren stets eine Begründung für einen winterlichen Aufschwung bei Dax & Co. lieferten: Allein die vielen Zinsgelder, die zum Jahreswechsel ausgezahlt würden und nach Wiederanlage schrien, befütterten schon so oft die Kurse und Kursinterpreten. Nichts von alledem 2016, es schweigen die Experten angesichts des zeitweise zehnprozentigen Niederganges der deutschen Standardwerte binnen weniger Handelstage. Da dachte niemand an die drei Weisen, die Heiligen drei Könige aus dem Morgenland, sondern eher an Halloween – und die gruseligste Verkleidung kam aus China.

Nun muss die deutsche Industrie chinesische Dellen und Verwerfungen eigentlich nicht so sehr fürchten, denn trotz jahrelangen Aufschwungs ist dort für die Exporte nicht der Nabel der Welt. Nach wie vor zählt die europäische Binnenkonjunktur stark, Amerika desgleichen. Das aber ist eher ein psychologischer Mechanismus: Die Verkäufe von Maschinen, Autos und Technologie etwa nach Frankreich oder in die USA sind das gewohnte Bild. Man kennt das. China aber, das war Verheißung, der neue Stern am Firmament. Mit den kühnsten Zukunftshoffnungen ausgestattet, und es dürfte wohl keinen Automobilkonzern geben, in dessen Managerriege nicht schon die Zahl von Milliarden wohlhabender werdender Chinesen in Relation zum eigenen Produktausstoß gesetzt wurde. Nun aber scheint das Wachstum unterbrochen, auch wenn China sicherlich mit seinen erwarteten fünf bis sechs Prozent weiterhin das am stärksten wachsende Land der Welt bleiben dürfte. Aber diese Party ist erst einmal vorüber, auf der man zweistellige Raten goutieren durfte.

Der chinesische Aktienmarkt ist indes kein gutes Analyseinstrument. Um ihn einzuhegen, hatte die chinesische Führung sich die automatische Kursaussetzung bei starken Verlusten ausgedacht, und am ersten Tag ihrer Existenz musste sie gleich eingreifen, und dann noch einmal – nach einer halben Stunde Handel bereits. Das zerstört eher Vertrauen: Wer chinesische Aktien hält, so die Botschaft, kann keineswegs verkaufen, wann er das möchte. Nach vier Handelstagen kassierte die Obrigkeit das System gleich wieder ein. Es war offenbar auch aufgefallen, dass mit dem Ausstieg auf dem Tiefpunkt keine Erholung der Kurse mehr möglich war – und die hätte es ja vielleicht gegeben am Ende des Tages.

Diese Sorte Verunsicherung ist Gift für die Märkte, und da steht noch ein langer Lernprozess bevor. Eine Lektion: Der chinesische Aktienmarkt spiegelt nicht die chinesische Wirtschaft – dazu gibt es einfach zu viel Manipulation. Ob der Dax oder der Dow Jones die Hysterie aber gleich vollständig mit abbilden sollten, ist daher eine sicher berechtigte, ganz andere Frage. Dass gestandene Automobilhersteller in wenigen Tagen Milliarden an Börsenwert verlieren, ist mit dem Fernen Osten nicht zu erklären – allenfalls VW steht vor wirklich schweren Zeiten, aber das ist eine andere Geschichte.