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Sei nicht ganz böse

Google entwickelt sich rasant – das war schon am Anfang so, als das Startup-Unternehmen mithilfe seiner mathematischen Algorithmen die Suche nach Begriffen im Internet verfeinerte und Ergebnisse lieferte, die so kein anderer Robot im Netz auflisten konnte, die Gründer Page und Brin wurden rasch Millionäre, dann Milliardäre, und blieben äußerlich College Boys. Rein äußerlich. Mit Eric Schmidt als Chef des Ladens fanden sie einen, der sich aufs Geschäftliche verstand und dafür sorgte, dass der aufstrebende Konzern mit dem Motto „Sei nicht böse“ nicht zu gut wurde.

BÖRSE am Sonntag

 

Google entwickelt sich rasant – das war schon am Anfang so, als das Startup-Unternehmen mithilfe seiner mathematischen Algorithmen die Suche nach Begriffen im Internet verfeinerte und Ergebnisse lieferte, die so kein anderer Robot im Netz auflisten konnte, die Gründer Page und Brin wurden rasch Millionäre, dann Milliardäre, und blieben äußerlich College Boys. Rein äußerlich. Mit Eric Schmidt als Chef des Ladens fanden sie einen, der sich aufs Geschäftliche verstand und dafür sorgte, dass der aufstrebende Konzern mit dem Motto „Sei nicht böse“ nicht zu gut wurde.

Die Abwesenheit böser Absichten ist noch lange keine Gewähr dafür, dass jemand gut ist oder Gutes tut, schon allein deshalb, weil da jeder so seine eigenen Vorstellungen hat. Schließlich geistert ja auch immer mal wieder der Begriff der „guten Diktatur“ durch die Gegend, zum Beispiel wenn westliche Intellektuelle mal wieder nicht so recht wissen, wie man ein Entwicklungsland demokratisch aufstellen soll, das mit Hilfe von Volksherrschaft ziemlich unbeherrschbar würde. Die gute Google-Diktatur blüht uns also vermutlich in Kürze, und es gibt wenige, die noch voller Überzeugung gegen das Wort Diktatur in Zusammenhang mit dem Konzern argumentieren würden, gegen die Bezeichnung „gut“ aber sehr wohl. Dabei spielt die Empörung über die sogenannten Schnüffelfahrzeuge mit ihren Street-View-Kameras nicht die Rolle, die in der deutschen Politik und in Datenschützerkreisen derzeit für mächtig Empörung sorgt: Es ist in der Tat nicht logisch sauber zu begründen, warum man etwas, was jedermann mit bloßen Augen rund um die Uhr besichtigen kann, eine Häuserfront zum Beispiel, nicht auch im Internet zu sehen sein soll. Massen von Nutzern geben selbst so viel mehr über sich preis, wenn sie soziale Netzwerke bestücken. Und eine Sightseeing-Tour durch eine Großstadt bietet in etwa den Anblick, den Google nun auch bieten will. Was wäre nur los, wenn deutsche Politiker sich schon mal mit den kamerabestückten Drohnen befasst hätten, die man für unter 1000 Euro pro Tag mieten kann – und damit ferngesteuert in Höhen bis zu 1000 Metern operieren kann? Es wäre vermutlich das blanke Entsetzen, und das wird auch noch kommen, denn die Drohnen gibt es, und sie fliegen lautlos am Fenster vorbei und knipsen, wenn sie dazu programmiert sind. Bald wird jeder so ein Ding haben können und ab und an sein Gesichtsfeld über den Giebel heben können, das Kissen auf dem Fenstersims ist jedenfalls völlig von gestern.

Die eigentliche Gefahr allerdings, die eher Experten auf die Palme gebracht hat (ganz ohne Flugdrohne), ist die Absicht, Teile des Internets kostenpflichtig zu machen und zu reservieren für jene, die schnelle Übertragung komplexer Inhalte zu bezahlen bereit sind. Da scheidet sich die kostenlos-unkontrollierte Netzwelt, wenn niemand Einhalt gebietet. Auch hier ist Google vorn mit dabei, zusammen mit dem amerikanischen Telefonkonzern Verizon, dessen Motto ausdrücklich nicht ist, gut zu sein. Weltweit applaudieren, wenn auch verhalten, die Netzausrüster und Kabelanbieter – es wird ein zäher Kampf werden. Und nun sieht man ziemlich deutlich, dass Google wirklich auf der entschieden falschen Seite der Barrikade steht. Macht korrumpiert, das gilt wohl wirklich, und es wäre an der Zeit, Google seine Macht zu rauben – wenn es nicht schon zu spät ist. Das lustig-bunte Suchunternehmen wird zum Kraken, und auch ein Krake, der nicht böse sein will, bleibt ein Krake.