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Stimmt die Richtung?

Kosten unklar, Nutzen nebulös, Kurs schwankend: Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands in den letzten Wochen und bald schon Monaten offenbart in vielen Bereichen ein Konzept, das man resignierend „Versuch und Irrtum“ nennen muss.

Kosten unklar, Nutzen nebulös, Kurs schwankend: Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands in den letzten Wochen und bald schon Monaten offenbart in vielen Bereichen ein Konzept, das man resignierend „Versuch und Irrtum“ nennen muss.

Von Reinhard Schlieker

Das wäre verzeihlich angesichts neuartiger Bedrohungslagen, die im Gefolge des Corona-Virus die Strukturen Europas herausfordern, nachdem aus dem Geschehen in Ostasien auch aufgrund unzuverlässiger, teils gar vorsätzlich falscher Informationen keine eindeutigen Schlüsse zu ziehen waren, eine Situation, wie sie nicht nur an den Börsen traditionell verhasst ist. Allerdings lavieren Politik und Wirtschaft – ja vor allem die Vertreter der betroffenen Wissenschaftsbereiche – doch mehr, als der Anhänger von Rationalität und Planbarkeit noch für verständlich halten kann. Wie bereits in vielen anderen Bereichen hat es den Anschein, als würde nur eine Gedankenrichtung zur Beherrschung der Corona-Krise den offiziellen Segen erhalten. Auch wenn das berüchtigte Wort von der Alternativlosigkeit nicht fällt, schwingt es doch in allem mit, was so entscheidende Maßnahmen und Lebensbereiche wie Betriebsschließungen, Berufsausübung und persönliche Gestaltungsfreiheiten betrifft. Vermutlich wäre den abertausenden Betroffenen von Kurzarbeit, den zahllosen Händlern und Verkäufern anderenfalls ihr Opfer auch nicht verständlich zu machen.

Blickt man allerdings auf die verwirrende Vielfalt, um es höflich auszudrücken, der Einzelregelungen in Deutschland oder gar in Europa, dann kann es doch sehr verwundern, dass dies alles unabdingbar notwendig sein soll, ja gar jeweils mit einer Vehemenz bis ins Detail vertreten wird, als habe die öffentliche Verwaltung literweise aus dem Becher der Erkenntnis getrunken. Die große Zeit der bürokratischen Detailregelung, sie ist angebrochen und das Ende scheint nicht greifbar. Aber womöglich wäre das Sinnieren darüber bereits der erste Schritt hin zur Diskussionsorgie, und wer will das schon. Natürlich sei auch solchen staatlichen Institutionen wie dem Robert-Koch-Institut das Recht auf Irrtum zugestanden. Sich aber immer wieder in einem derartigen Ausmaß selbst zu widersprechen, Kehrtwenden in der Argumentation zu vollführen und sich diametral gegenüberstehende Erkenntnisse zum Besten zu geben (ohne dass es bahnbrechendes neues Wissen gegeben hätte) wie es die Führung dieses Instituts sich glaubt leisten zu können, und kein Wort des entschuldigenden Bedauerns zu finden, das sprengt schon das Maß des Üblichen. Und dass all diese „Empfehlungen“ des RKI Eingang in die wirre aktuelle Vorschriftengestaltung finden und damit wirtschaftliche Existenzen bedrohen, mag den gut alimentierten Bediensteten oder auch dem Tiermediziner an der Spitze des staatlichen RKI gleichgültig sein. Den Betroffenen ist es das sicher nicht. Und ob mit dem alles beherrschenden Lockdown tatsächlich das Ausmaß der Pandemie begrenzt wird, ist wohl inmitten des Geschehens kaum stichhaltig festzustellen. Vielleicht wäre das Maskentragen allein schon völlig ausreichend gewesen? Hätte man denn welche gehabt...

Eher beunruhigend wirkt da der Blick auf vergangene Krisen, die ebenfalls von gehöriger Hysterie begleitet wurden: Von der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bis hin zur berüchtigten Schweinegrippe 2009 und dem Tsunami von Fukushima wurde jeweils mit Zahlen jongliert, die einen das Fürchten lehren konnten und wohl auch sollten – als das wahre Ausmaß dann bekannt wurde, interessierte es niemanden mehr so recht. Allerdings war in keinem bisherigen Fall das Ausmaß des direkt und obrigkeitlich erzeugten ökonomischen Schadens auch nur annähernd vergleichbar mit der heutigen Situation. Und weiterhin weigert sich die Politik, die immer wieder selbst gesetzten Kriterien für eine Lockerung – sei es die Ansteckungshäufigkeit, sei es die Vervielfachung der Infektionsfälle – bei deren Eintreten dann auch tatsächlich zu beachten – es werden halt jeweils neue, weitergehende erfunden. Das vor allem sollte stutzig machen, denn welches Kriterium wird dann eines Tages dasjenige sein, welches zweifelsfrei planbare Folgen zeitigt? Derweil erscheinen die ersten Untersuchungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse über mehrere Monate des Pandemieverlaufs gewinnen konnten. So etwa kommen israelische Forscher zu der Einsicht, dass die Corona-Seuche in etwa vierzig Tage bis zu ihrem Höhepunkt braucht, um nach siebzig Tagen eindeutig abzuklingen. Das Verstörende daran: Dies war offenkundig der Fall gleichgültig, ob in einem Land drastische Maßnahmen ergriffen worden waren oder eben auch nicht. Eines Tages wird man wissen, ob diese Beobachtungen fundiert waren. Vielleicht ist bis dahin der wirtschaftliche Billionenschaden wieder etwas aufgeholt. Dann wäre allerdings wirklich mal Gelegenheit, für die nächste Krise zu lernen.

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