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How to Grow Online (Fast)

Tech-Giganten wie Amazon, Google und Facebook dominieren unseren Alltag – in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Lockdown mehr denn je. Anleger, die auf das richtige Pferd gesetzt haben, freuen sich über Mega-Renditen. Europäische Unternehmen sucht man vergebens – und das wird wohl auch so bleiben.

Tech-Giganten wie Amazon, Google und Facebook dominieren unseren Alltag – in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Lockdown mehr denn je. Anleger, die auf das richtige Pferd gesetzt haben, freuen sich über Mega-Renditen. Europäische Unternehmen sucht man vergebens – und das wird wohl auch so bleiben.

Von Reinhard Schlieker

Irrungen und Wirrungen der amerikanischen Politik nebst deftiger Nachwahlkämpfe mögen die dortigen stark verfeindeten Fronten noch lange bewegen. Ebenso natürlich die ausländischen Beobachter oder gar Sich-Einmischer und die gewohnt sich als wissende Ratgeber für alternativlos haltenden Deutschen. Weise ist das alles nicht, und die zahlreichen nebeneinander her existierenden Realitäten haben noch keine Wahl getroffen, welche bestimmend für die nächsten Jahre sein wird und welche eher nicht.

Fakt ist wohl, dass weder gender- und korrektheitsbebende Ostküsteneliten in den USA allein die Zukunft beherrschen werden noch die sich als hip und hop empfindenden Silicon-Valley-Chipster. Wenn man aus Google Earth einmal herauszoomt, wandeln sich auch die USA zu einem, wenn auch dominanten, Flicken auf der Planetenoberfläche, und da sticht jetzt nicht der Sojafarmer heraus, ebenso. wenig wie der Tagelöhner aus China oder der Bürokrat aus Deutschland. Wäre die Karte der Welt nach Zukunftsträchtigkeit eingefärbt, sähe man wohl Südostasien intensiv, Nordamerika ebenso, und ein paar Flecken in Europa. Die Cloud- und Computerindustrie ist in mancherlei Hinsicht Old Economy, in anderer allerdings Zukunftstreiber.

Diejenigen amerikanischen Unternehmen, die früh auf die sogenannte Cloud als Basis ihres weltumgreifenden Geschäfts gesetzt haben, sowohl im B-to-B-Business als auch im Endkundengeschäft, stechen an der Börse genauso heraus wie auf der Weltkarte, darunter prominent Amazon, ein Unternehmen, das im letzten Quartal 6,3 Milliarden Dollar verdiente und damit die Anleger nicht einmal begeistern konnte. Amazon und sein Chefgründer Jeff Bezos hatten Gewinn längere Zeit als schmutziges Wort betrachtet und steckten jeden Cent, ob verdient oder geborgt, in das Wachstum. Kann man machen, wenn man die Macht hat, kann aber ein Fehler sein. Bei Amazon war es das nicht, viele andere Strategen dieser Art sind längst vergessen, und diejenigen, die keine Macht an der Spitze haben oder die Lizenz zum Verärgern der Aktionäre, stolpern nun teils hinterher, wie etwa die deutsche SAP. Wobei, wäre man in der Verlegenheit, die atemberaubenden Börsenpreise einer Amazon-Aktie womöglich eher Einstiegskurse sind als die heruntergestraften einer SAP.

Amazon hat seinen Kurs in den vergangenen 15 Jahren – diese Spanne wird immer mal wieder als Anlagehorizont seriöser Aktiensparer genannt – von etwa 28 Euro auf nahe an 3.000 Euro gesteigert, was in Prozentzahlen nicht mehr würdevoll auszudrücken ist. SAP stieg von rund 30 Euro auf zeitweise nahe an 140 – gut vervierfacht also im gleichen Zeitraum. Der Hasardeur hätten den 15-Jahresgewinn in wenigen Monaten mit Delivery Hero nachvollziehen können, aber lassen wir das lieber. Derweil in China: Der Riesenkrake Alibaba, der keineswegs unter die Räuber gefallen ist, hat seinen Börsenwert in Euro ebenfalls vervierfacht – allerdings in weniger als fünf Jahren. Hier greift zudem wohl ein Abschlag bei Anlegern der westlichen Welt, der Unternehmen trifft, die nur mit Duldung oder Förderung der chinesischen KP und ihres Staates reüssieren, und das dürften wohl die börsennotierten allesamt sein. China als Ganzes entwickelt sich unverdrossen weiter zum eigenständigen Billionenmarkt, was seine E-Commerce-Firmen ebenso wie die als Zulieferer arbeitenden Computerfirmen nicht hindert, weltweit Geschäfte zu machen. Die Zahlungsdienstleister, allen vor die Alibaba-Abspaltung Alipay, breiten sich weltweit aus, sogar in Deutschland.

Wer das um die Welt schweifende elektronische Geld über seine virtuellen Kassensysteme leiten will, braucht nicht einmal in jedem Land das Rad neu zu erfinden, Skaleneffekte kommen billiger. Und man braucht auch keinen Schneeball-Betrugsladen wie die deutsche Wirecard, die peinlichste Digitalnummer seit Menschengedenken. Die Nutzerzahlen bei privaten Konsumenten multiplizieren sich alle paar Jahre und die Spannen werden kürzer. Die gesellschaftlichen Folgen, etwa im stationären Einzelhandel und in der Gastronomie, sind spektakulär und rufen nach völlig neuen Ideen – ein Corona-Lockdown könnte so gesehen nur eine drastischere Vorwegnahme dessen sein, was uns in den Innenstädten erwartet, wenn die völlig seuchenfreie Entwicklung so weitergeht. Und Deutschland oder Europa haben immer noch keine Antwort auf diese Strategien, selbst wenn es Startups mit großen Aussichten und Erfolgen gibt. Es fehlt an der konsequenten Fortschrittsgläubigkeit, ohne die es in den USA und China auch nicht so dramatisch nach oben gegangen wäre.

Für Unterhaltung dabei sorgen heute Firmen wie Netflix, wiederum Amazon, Youtube oder Tiktok aus China und bezahlt wird mit Paypal oder Alipay, gesprochen darüber bei Twitter und immer noch Facebook. Europäer liefern allenfalls zu, leider bis heute auch fast ausschließlich ihre Daten, an Apple, Alibaba, Amazon oder Google - aus denen Amerikaner und Chinesen Gold extrahieren, gern auch in Bitcoin. Die Börse nimmt alles, dankeschön. Diese beiden Staaten bleiben die Matadore, viele andere sind Stiere der Reserve.

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