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Trumps Sanktionen – gegen Europa

Die faktische Aufkündigung des Iran-Atomabkommens durch den amerikanischen Präsidenten wirbelt die Weltpolitik durcheinander – und den weltweiten Handel ebenso. Profitieren werden die Chinesen, den Schaden haben die Europäer, und hier zuerst wir, die Deutschen.

BÖRSE am Sonntag

Die faktische Aufkündigung des Iran-Atomabkommens durch den amerikanischen Präsidenten wirbelt die Weltpolitik durcheinander – und den weltweiten Handel ebenso. Profitieren werden die Chinesen, den Schaden haben die Europäer, und hier zuerst wir, die Deutschen.

Von Reinhard Schlieker

Vor allem deutsche Firmen haben seit 2015, nachdem die Sanktionen gegen den Iran schrittweise gelockert wurden, sehr gut verdient. Handelsbeziehungen, die in die siebziger Jahre zurückreichten, wurden schnell und diskret wiederbelebt. Teheran wusste, was es an deutscher Technologie hatte, und Konzerne wie etwa Siemens schätzten traditionell die wirtschaftliche Zuverlässigkeit des Mullah-Regimes, mochte deren Politik auch noch so haarsträubend sein und abstoßende Hinrichtungen an der Tagesordnung. Die stetig wiederholten und auch nie aufgegebenen Vernichtungsdrohungen gegen Israel wurden als eine Art nationalistischer Folklore betrachtet, und zumal nach dem politischen Ende des irrlichternden Premiers Ahmadinedschad deutete vieles auf Beruhigung.

Damit ist es vorbei – denn die Europäer sind wieder einmal in eine Zwickmühle geraten, aus der sie sich mit eigener Anstrengung kaum befreien können. Die Trump-Maßnahmen gegen Iran mögen eine innere Logik besitzen, schließlich hat Teheran seine Rüstungsbemühungen nie zurückgeschraubt, baute weiterhin Raketen mit der Fähigkeit, Sprengköpfe atomarer Bewaffnung zu tragen und intensivierte seine Infiltration der Region um so mehr, je deutlicher Syrien im Chaos versank. Dort vor allem auch deshalb, weil man einen Zugang zum Mittelmeer und eine direkte Bedrohung Israels gern mitgenommen hätte – nur die saudische Präsenz dort und deren unverhohlene Drohungen ließen die Revolutionsgarden etwas vorsichtiger agieren. Nicht umsonst aber sind die „Al-Kuds“-Truppen in Richtung Golan etabliert, und sie tragen ja den arabischen Namen des zu befreienden Jerusalems schon vor sich her. In diese Gemengelage geraten nun europäische Unternehmen, die gern auch in Saudi-Arabien Geschäfte machen, und sehen sich vom Verbündeten Trump in die Boykottpflicht genommen.

Es wäre Sache der EU, den amerikanischen Präsidenten darauf hinzuweisen, dass seine Iran-Politik, so sie denn nicht zu einem neuen und vielleicht besseren Abkommen führt, direkt den viel bedeutenderen Handelsrivalen China begünstigt. Peking muss sich von Trump nämlich nicht an Sanktionen erinnern lassen – man hat schon Ärger genug und wird seine Zollgespräche sicher fortsetzen, an der wirtschaftlichen Expansion nach Asien und Afrika aber rüttelt nicht einmal der US-Präsident. Für die deutschen Unternehmen bleibt da nur eine Güterabwägung im wahrsten Sinne des Wortes: Wenn sie weiterhin unbehelligt, oder zumindest weitgehend unbehelligt, ihre Erzeugnisse in die USA exportieren wollen, müssen sie sich innerhalb eines halben Jahres aus bestehenden Investitionen in Iran zurückziehen und ab sofort keine neuen Engagements mehr eingehen. Drei Milliarden Euro machten die deutschen Exporte in den Iran letztes Jahr aus, die USA wiegen mit 111 Milliarden Euro ungleich schwerer.

Bleibt nur, geplante Investitionen – etwa in der Kraftwerks- und Ölindustrie – zu beschleunigen und dies nicht an die große Glocke zu hängen. Wenn europäisches Knowhow dazu dient, dass Iran seine Ölförderung aufrechterhalten kann, wären die Sanktionen bereits teilweise unterlaufen. Und Abnehmer für sein Öl findet Iran ohnehin, und bei etwaigen Einschränkungen hat Saudi-Arabien bereits angekündigt, die fehlenden Mengen ausgleichen zu wollen. Somit bleibt auch der jüngste Anstieg des Ölpreises wohl eher auf die boomende Weltkonjunktur zurückzuführen als auf Furcht vor Knappheit. Für die deutschen Exporteure bleibt nur die Hoffnung, dass innerhalb weniger Monate ein neues Abkommen geschlossen wird.

Dass Teheran allerdings seine Drohkulisse in der Region aufgeben wird, dürfte nicht einmal ein entschlossener Donald Trump erreichen können. Von daher wäre deutschen Unternehmen ohnehin anzuraten, in Teheran nur wohlüberlegt tätig zu werden. Sollte man in den Ruch geraten, die expansiven und israelfeindlichen Ambitionen der Mullahs indirekt zu unterstützen, würde der Schaden die erlösten drei Milliarden rasch übersteigen. Und immaterielle Schäden wie diese sind erheblich schwerer auszugleichen als ein entgangener Auftrag zum Bau eines Kraftwerks.