Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Analysen >

Alles erneuerbar – sogar RWE

Erstaunlicher Wandel kennzeichnet manchmal den ohnehin doch überraschungsgeprägten Börsenhandel – zum Glück, möchte man ausrufen, denn das Leben ist doch sonst mitunter gemächlich bis gar langweilig. Nicht mit RWE!

BÖRSE am Sonntag

Erstaunlicher Wandel kennzeichnet manchmal den ohnehin doch überraschungsgeprägten Börsenhandel – zum Glück, möchte man ausrufen, denn das Leben ist doch sonst mitunter gemächlich bis gar langweilig. Nicht mit RWE!

Von Reinhard Schlieker

Das ist nun neuerdings ein Konzern der Erneuerbaren Energien. Nicht mehr der alte Kohlebohrer von noch vor kurzem. Wobei man, ehe man nun darangeht, die näheren Gründe und Hintergründe auszuleuchten, vielleicht im Sinne der herrschenden Physik konstatieren sollte, dass es so etwas wie erneuerbare Energie nicht gibt – man kann Energie wandeln, aber nicht erneuern. Nicht mal die Sonne könnte das, die leuchtet auch nur auf Basis des schrumpfenden Vorrats an Energie, aber der reicht
noch eine Weile.

Nun hat die gute alte RWE-Aktie seit Ende Juni 30 Prozent zugelegt, was für all jene besonders erfreulich sein dürfte, die nicht schon vor 2015 engagiert waren, denn der Stand von damals ist immer noch nicht wieder erreicht. Nicht ganz so stark, aber auch tröstlich das jüngste Schicksal von EON, mit RWE aufs Fruchtbarste verbunden. Bekanntlich gehen die sogenannten erneuerbaren Energie-Aktivitäten der mehrheitlichen RWE-Tochter Innogy (auch diese Aktie sprüht vor Energie) an RWE, die Netze und das Endkundengeschäft an EON. Offenbar in den Augen der Anleger eine Win-Win-Win-Situation. Beide Konzerne haben etwas davon, und das wird auch Zeit, denn angesichts der erneut bekräftigten Absicht,auf mittlere Sicht in Deutschland keine Kernenergie mehr zu nutzen, fehlt es an tragfähigen Lösungen beim Verstromen. Stichwort: Grundlastfähigkeit. Solange es keine zündenden
Ideen für verlässliche Dauerstromerzeugung aus den neuen freundlichen Energien gibt (wobei mancher zu Recht Windkraftwerke im Wald nicht als freundlich erlebt), bleibt im deutschen Mix die Kohle vorherrschend. Vorerst aber haben sich RWE und EON aus dem denkbaren Clinch befreit.

EON wird der größte Stromversorger Deutschlands, verkauft außerdem Gas und die immer wichtiger werdenden Dienstleistungen rund um die Energieversorgung – eigene Kraftwerke betreibt man nicht mehr. RWE als Großhändler für Strom setzt dann mit Macht auf neue Energiefelder und beide rechnen mit einem mehr als auskömmlichen Dasein. Wobei EON auf seine – noch nicht sehr vielen – Autobahn-Ladestationen für Elektrofahrzeuge verzichten wird und den Brüsseler Wettbewerbsbehörden noch ein paar andere Zugeständnisse machte, die alle das Kerngeschäftsleben des Energieriesen nicht beschädigen dürften. Das ist denn auch der bleibende Kritikpunkt von Verbraucherschützern: Die gewaltige Marktmacht mit 50 MillionenKunden in Europa, davon 14 Millionen in Deutschland, wird nicht angekratzt.

Zusammen mit Tochterfirmen könnte EON das Endkundegeschäft dominieren, und vor allem
Vergleichsportale fluten, der Verbraucher sollte wachsam sein. Wer die ohnehin ständig steigenden Strompreise, die das aber vor allem wegen staatlicher Regulierung tun, ein wenig abmildern möchte, ist womöglich mit Aktien der der Riesen ganz gut getröstet – aber man muss schon ordentlich investieren, wenn die EON-Papiere durch ihre Dividende die Stromrechnung bezahlen sollen.

Lesen Sie auch: Das grüne Dilemma