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Woche der Wahrheiten

Wenn man die Gelegenheit hat, etwas zu feiern, was nicht geklappt hat, sollte man diese nutzen. Welche Korken bei der Deutschen Bank geknallt haben, als die Entscheidung gegen eine Fusion mit der Commerzbank endlich heraus war, ist nicht überliefert. Womöglich bot die Absage den verantwortlichen Kreisen ja auch nur das Ende des Vorwands, sich nicht um die Wahrheit des Bankenalltags bemühen zu müssen.

BÖRSE am Sonntag

Wenn man die Gelegenheit hat, etwas zu feiern, was nicht geklappt hat, sollte man diese nutzen. Welche Korken bei der Deutschen Bank geknallt haben, als die Entscheidung gegen eine Fusion mit der Commerzbank endlich heraus war, ist nicht überliefert. Womöglich bot die Absage den verantwortlichen Kreisen ja auch nur das Ende des Vorwands, sich nicht um die Wahrheit des Bankenalltags bemühen zu müssen.

Denn so insgeheim war mancher, und nicht nur die Prominenz in Gestalt des Bundesfinanzministers, ja doch im Traum des deutschen Champions gefangen und sah die vereinigte Deutsche Commerzbank schon die Wall Street aufmischen, wenn nicht gar Shanghai und Hongkong. Das war allerdings schon ausgeträumt, noch ehe man in den Schlaf finden konnte. Die Deutsche Bank allein ist an der Börse 17,4 Milliarden Dollar wert – bei der HSBC (173,5 Milliarden) oder auch beim Nachbarn UBS (50 Milliarden) gelten andere Dimensionen. Der Börsenkurs der Deutschen Bank machte einen kleinen Sprung beim Bekanntwerden des Endes der Fusionsgespräche, aber das war es. Für nennenswerte Beachtung müsste sich die Aktie um mehrere hundert Prozent verbessern – diese Tatsache spricht wiederum für langen Schlaf und schönste Träume, will man dem Altmeister André Kostolany die Ehre erweisen, der bei der Aktienanlage „schlafen und liegenlassen“ empfahl, genaue Zeiträume aber nicht nannte. Ob nach Jahren beim Aufwachen die Deutsche Bank noch da wäre? Für Anleger empfiehlt sich hier doch eher eine gewisse Wachheit.

Ebenso viele Erkenntnisse, und sich fundamental widersprechende Wahrheiten, tauchten im Bonner Wasserwerk aus der gar nicht so tiefen Versenkung auf, als es bei der Hauptversammlung am Freitag um Schicksal und Untergang, Gift und Galle, Unkraut und Vernichtung ging. Die Rede ist natürlich von Bayer, einst Rufträger Deutschlands als „Apotheke der Welt“, heute Großkrämer in Sachen Feld, Wiesen und Bestellung derselben. Mit einem märchenhaft teuren Einkauf sagenhafter Risiken in Form des professionellen Rufschädigers Monsanto aus den USA. Die Anleger, ob riesig, groß oder klein, mochten Vorstand Werner Baumann ungern folgen in dem Bemühen, die gewöhnliche Geschäftstätigkeit federnd vor die ungewöhnliche Geschäftsschädigung durch Monsanto zu plazieren. Die kleinen Belegschaftsaktionäre murren trotz begütigender Dividende von 2,80 Euro; Anlageriesen wie ISS und Glass Lewis, die Aktien bündeln und Abstimmungsempfehlungen geben, haben dagegen schon mehr Gewicht, um den Vorstand und Aufsichtsrat die Fassung verlieren zu lassen. Bayer mutiert daher fast zur Großkanzlei: Das eine Heer der Anwälte besänftigt die Aktionäre, das andere in Übersee versucht sich an 13.400 Schadensersatzklägern, die vom Monsanto-Mittel „Roundup“ Krebs bekommen haben, wie sie beklagen. Waren das noch Zeiten, als man mit der Entdeckung des Aspirin-Wirkstoffs die Welt bewegen konnte… am Tag der HV bewegte sich nicht einmal der Aktienkurs sonderlich, der mit rund 61 Euro signalisiert, dass Bayer inzwischen nur noch so viel wert ist, wie es für die Monsanto-Übernahme bezahlt hat. Das heißt, verkürzt gesagt: Wer heute Monsanto kaufen wollte, bekäme Bayer als kleines Geschenk dazu. Und das ist ganz einfach die Wahrheit.

Reinhard Schlieker