Alibaba: Die Börse kratzt am Wunder-Image
Der Börsengang des chinesischen Onlinehändlers Alibaba vor knapp einem Jahr gehört rückblickend zweifelsohne zu den spektakulärsten aller Zeiten. Von der atemberaubenden Aufbruchsstimmung des letzten Herbstes ist aktuell allerdings wenig zu spüren. Zuletzt ging es an der Wall Street für die Aktie deutlich bergab. Zweifel an der Zukunftsstrategie sowie aufstrebende Konkurrenten sorgen dafür, dass das junge Unternehmen einen Teil seines märchenhaften Erfolgsimage einbüßt.
Der Börsengang des chinesischen Onlinehändlers Alibaba vor knapp einem Jahr gehört rückblickend zweifelsohne zu den spektakulärsten aller Zeiten. Von der atemberaubenden Aufbruchsstimmung des letzten Herbstes ist aktuell allerdings wenig zu spüren. Zuletzt ging es an der Wall Street für die Aktie deutlich bergab. Zweifel an der Zukunftsstrategie sowie aufstrebende Konkurrenten sorgen dafür, dass das junge Unternehmen einen Teil seines märchenhaften Erfolgsimage einbüßt.
Was macht man als Unternehmen, wenn die schmuckvollen Lorbeeren rund ums Firmen-Logo langsam zu verblühen drohen? Ganz einfach: Eine neue Stelle wird geschaffen und mit einem pathetisch klingenden Namen versehen. So lautet offenbar die chinesische Antwort auf ein solches Dilemma. Zumindest, wenn man Alibaba zum typischen Repräsentanten dieser Problemlösungsstrategie made in China benennt. Und so hat der gigantische Onlinehändler, in dem viele Anleger sowas wie ein fernöstliches Konglomerat aus Amazon und Ebay sehen, kurzerhand einen sogenannten Präsidenten ins Leben gerufen, dessen Aufgabe darin besteht, enge Partnerschaften mit Marken und wichtigen Händlern in Europa, Asien und Amerika zu knüpfen. Ziel ist es, diese mit einem schnellen und effizienten Zugang zum wichtigen chinesischen Markt auszustatten. Die Hoffnungen ruhen dabei auf dem ehemaligen Manager der US-Investmentbank Goldman Sachs, Michael Evans, einem Kanadier, der von nun an in chinesischen Dienstes beschäftigt wird, um die neue Position im Sinne der internationalen Entwicklung zu bekleiden.
Doch nicht nur auf globaler Ebene sieht sich Alibaba mit diffizilen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere die aufstrebende Konkurrenz aus dem eigenen Land erhöht den Druck auf das von CEO Jack Ma gegründete Unternehmen. Längst nutzen auch andere chinesische Kontrahenten wie etwa der Messaging-Anbieter Tenecent oder die große Suchmaschine Baidu mit Erfolg das Potential des E-Commerce. Vor allem aber das US-amerikanische Unternehmen JD.com – die Nummer zwei im Ranging der chinesischen Onlinehandelsriesen – prägt den Wettstreit mit Alibaba. Dieser zeichnet sich unter anderem in Schließungen von Partnerschaften mit internationalen Bekleidungsmarken aus. Dabei soll der Verkauf im Reich der Mitte angekurbelt werden.
Vergangene Woche gelang Alibaba ein besonderer Coup, da der Börsenneuling 20 weitere Exklusivpartner, zu denen auch renommierte Modeanbieter wie Timberland und Zara gehören, für sich gewinnen konnte. Das unterstreicht die Bemühungen des in Hangzhou gelegenen Unternehmens stets um eine Erweiterung des Angebots bemüht zu sein. Mitunter sorgt diese Produktvielfalt für allerlei Skurrilität. Dass man über die von Alibaba betriebenen Online-Plattformen wie zum Beispiel Taobao, die größte Shopping-Website Chinas, ungewöhnliche Gegenstände wie etwa buddhaförmige Birnen kaufen kann, ist schon erstaunlich. Noch bemerkenswerter und ethisch zugleich hochproblematisch ist aber das neueste Angebot aus dem Hause Alibaba: Sperma.
Trotz dieser Vielfalt gepaart mit Innovationskraft auf der Angebotsseite von Alibaba heißt die klare Nummer eins Amazon. Zwar ging es für das erst 16-Jahre alte chinesische Powerunternehmen nach dem größten Börsengang aller Zeiten und 25 Milliarden eingesammelten US-Dollar so steil bergauf, dass der US-Handelsriese zumindest den Atem des Kontrahenten im Nacken gespürt haben dürfte. Allerdings lässt der nachhaltige Erfolg in diesem brisanten Zweikampf der Giganten aus Sicht der größten IT-Firmengruppe Chinas zu wünschen übrig. Nach den sensationellen ersten Wochen an der Wall Street, die Mitte November bei einem Kurs von umgerechnet 92,68 Euro gipfelten, setze tendenziell eine starke Talfahrt ein. Aktuell notiert die Alibaba-Aktie bei vergleichsweise enttäuschenden 72,55 Euro. Also weit entfernt von dem Stand, die sie noch vor wenigen Monaten innehatte. Ganz anders sieht es hingegen bei Amazon aus. Das Wertpapier des Versandhandelskonzerns aus Seattle machte zuletzt ordentlich Boden gut und liegt momentan bei 477,15 Euro. Zudem präsentierte CEO Jeff Bezos jüngst äußerst erfreuliche Quartalszahlen.
Auch scheint die Zukunft dank stetiger Investitionen in das operative Geschäft vielversprechend zu werden. Im Gegensatz zu dem chinesischen Wettbewerber hat Amazon sein Prime-Mitgliedschaftsmodells, einen eigenen Streaming-Dienst sowie allen voran das Cloudgeschäft zu bieten. Ein Vorteil, der sich im Duell mit Alibaba als Goldwert erweisen könnte. Allerdings investiert Alibaba momentan eine Milliarde US-Dollar in den Ausbau eines eigenen Cloud-Geschäft, um auf diesem Gebiet aufzuholen. Für den von Jack Ma – der früher, als junger Englisch-Lehrer, rund zwölf Dollar im Monat verdiente und heute zu den reichsten Männer des Landes gehört – für den von Jack Ma geleiteten Konzern also spricht auch, dass der Heimatmarkt nach wie vor unglaubliches Potential bietet. Dieses gilt es auszuschöpfen, will man den amerikanischen Konkurrenten irgendwann einholen. Alibaba hat durch seinen faszinierend erfolgreichen Börsengang letztes Jahr gezeigt, dass Großes möglich ist, obgleich derzeit – noch! – der nachhaltige, konstante Siegeszug ausbleibt.
WIM