Amazon-Aktie fährt Achterbahn abwärts
Amazon will in den USA offenbar bis zu 400 stationäre Buchläden eröffnen. Während dort die Buchhändler zittern, haben deutsche Einzelhändler keine Angst vor dem Internet-Riesen. Warum die deutschen Buchhändler Amazon nicht fürchten müssen, die Anleger aber vielleicht schon, lesen Sie hier.
Amazon will in den USA offenbar bis zu 400 stationäre Buchläden eröffnen. Während dort die Buchhändler zittern, haben deutsche Einzelhändler keine Angst vor dem Internet-Riesen. Warum die deutschen Buchhändler Amazon nicht fürchten müssen, die Anleger aber vielleicht schon, ergibt sich aus den Zahlen, die Konzenrchef Jeff Bezos präsentiert.
Wer überlegt, in Amazon-Aktien zu investieren, sollte sich die Schaufenster von Thalia, der Mayerschen oder auch einer renommierten Einzelbuchhandlung wie dem „Wetzstein" in Freiburg gut ansehen. Denn dr deutsche Buchhandel hat dem Phänomen Amazon bisher recht gut Paroli geboten. Nun aber wollen die Amerikaner offenbar auch in den stationären Buchhandel einsteigen: Nach Angaben von Sandeep Mathrani, Chef des amerikanischen Einkaufszentrenbetreibers General Growth Properties, will der Konzern in den USA 300 bis 400 Buchläden eröffnen, nachdem er Anfang November ein erstes Geschäft in Seattle eröffnet hatte. Amazon hat dies bisher nicht dementiert. Droht auch dem deutschen stationären Buchhandel Ungemach?
Branchenkenner halten eine Ausweitung des Projekts auf Deutschland für extrem unwahrscheinlich. „Das ergibt für Amazon keinen Sinn“, sagt etwa der ehemalige stellvertretende Direktor der Frankfurter Buchmesse, Holger Ehling, der heute die Agentur Ehling Media betreibt. „Dank der Buchpreisbindung gibt es von Flensburg bis ein flächendeckendes Netz von stationären Buchhändlern. Da würde sich Amazon sehr schwer tun.“
Nach Angaben des Börsenvereins des deutschen Buchhandels gibt es in Deutschland rund 6000 stationäre Buchverkaufsstellen, in denen 2014 4,583 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Damit kam der stationäre Buchhandel auf einen Marktanteil von 49,2 Prozent. Für 2015 hat der Börsenverein noch keine absoluten Zahlen veröffentlicht. Er teilte allerdings mit, dass die stationären Buchläden vergangenes Jahr ein Umsatzminus von 3,6 Prozent hinnehmen mussten, was aber an den Marktanteilen nicht wesentlich rütteln würde.
Auch die neue Regelung für E-Books weist in diese Richtung. Die Buchpreisbindung, die bisher nur Gedrucktes galt, wurde ausgeweitet. Am 3. Februar 2016 beschloss das Bundeskabinett, die Buchpreisbindung für E-Books gesetzlich zu verankern. Die Preisbindung wurde zwar schon bisher auch auf elektronische Bücher angewendet. Ein expliziter Hinweis auf E-Books fehlte bisher im deutschen Gesetzestext.
Für Amazon wachsen die Bäume nicht in den Himmel, das ist am deutschen Markt symptomatisch sichtbar. Doch es gilt auch für die USA. In der Erwartung bombastischer Quartalszahlen war die Amazon-Aktie Ende Januar an der Wall Street um massive 52 Dollar oder 8,9 Prozent im offiziellen Börsenhandel angestiegen. Da kann kaum noch etwas schief gehen, sollte man meinen. Doch die Realität sah anders aus: Der Kurs rauschte 15 Prozent ins Minus, bevor er sich dann ein wenig berappeln konnte und letztlich bei 549 Dollar rund 85 Dollar oder 13,5 Prozent niedriger gehandelt wurde.
Was ist schief gelaufen auf dem New Yorker Parkett? Eigentlich nichts. Der Umsatz war, verglichen zum Vorjahr, um 22 Prozent auf 35,75 Milliarden Dollar geklettert. Der Nettogewinn verzeichnete für Amazon völlig ungewöhnliche 482 Millionen Dollar im Quartal, das ist fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Aber es war auch Weihnachtsquartal, in dem die ganzen Bücher über den Ladentisch gehen, die anschließend unter den Weihnachtsbäumen der christlichen Welt liegen.
Für das laufende Quartal zeigt sich Konzernchef Jeff Bezos zudem sehr zurückhaltend. Den Umsatz setzt er für das erste Quartal 2016 bei 26,5 bis 29 Milliarden Dollar an, ein Plus von 17 bis 28 Prozent. Der operative Gewinn wird zwischen 100 und 700 Millionen Dollar angesetzt. Allerdings sind da 600 Millionen Dollar an Erfolgsboni für die Mitarbeiter noch nicht abgezogen. Es kann also theoretisch nach den Märchengewinnen von Ende 2015 ein Nettoverlust für Amazon übrigbleiben.
Deutschland ist tatsächlich auf der Amazon-Weltkarte nur ein Fleck mitten in Europa, mehr nicht. Auch in anderen europäischen Ländern dürfte sich der Internet-Riese aus Seattle mit einem Einstieg in den stationären Buchhandel jedoch schwer tun. In Frankreich, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien gibt es ebenfalls eine gesetzliche Buchpreisbindung. In Dänemark, Norwegen und Ungarn existieren entsprechende Branchenvereinbarungen. Anleger, die mit der Amazon-Aktie liebäugeln, sollten gewarnt sein. sig / Handelsblatt / mit Material von Axel Postinett und Kai-Hinrich Renner