Apple und das FBI: Krieg um Daten
Apple macht ernst und heuert im Kampf gegen das FBI einen der berühmtesten Anwälte Amerikas an. Die Fronten sind verhärtet, es kommt zum Showdown vor Gericht. Morgen sind in den USA landesweite Proteste vor Apple-Stores geplant. Ob die öffentliche Aufmerksamkeit helfen wird, den seit einem Jahr intakten Abwärtstrend der Apple-Aktie zu durchbrechen?
Apple macht ernst und heuert im Kampf gegen das FBI Ted Olson an, einen der berühmtesten Anwälte Amerikas. Die Fronten sind verhärtet, es kommt zum Showdown vor Gericht. Morgen sind in den USA landesweite Proteste vor Apple-Stores geplant.
„Apple kann nicht einfach unsere Bürgerechte aufgeben“, beschwor Olson am Samstag im US-Sender ABC sowohl die US-Gerichte als auch die Washingtoner Legislative. Der High-Tech-Konzern dürfe nicht für das FBI die Sicherheit der iPhones aufweichen: „Das öffnet die Büchse der Pandora.“ Doch landauf, landab warteten Gerichte nur darauf, Apple mit Beschlüssen zu überziehen, um Einblick in iPhone-Speicher zu erhalten. „Wenn die Regierung jetzt siegt, gibt es keine Grenzen mehr für das, was sie von Apple fordern kann.“ Eine Einschätzung, die Apple-Kunden auf der ganzen Welt aufhorchen lassen sollte.
Wenn Olson spricht, dann wird zugehört. Der konservative Republikaner gilt als der juristische Pitbull unter den Verteidigern der Bürgerrechte. Besonders „free speech“, das Recht auf freie Meinungsäußerung, liegt ihm am Herzen. 2000 half er George W. Bush einen Prozess gegen Al Gore zu gewinnen, der ihm die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten sicherte. Legendär ist sein Sieg im Fall „Citizens United vs. Federal Election Commission“, an dessen Ende Geld als freie Meinungsäußerung akzeptiert wurde. Dies revolutionierte die gesamte US-Wahlkampffinanzierung und das sehr zum Missfallen von Barack Obama. Doch Olson verkörpert nicht den typischen Republikaner: Er kämpfte auch die „Proposition 8“ in Kalifornien nieder, die die gleichgeschlechtliche Ehe verbieten sollte.
Gegen Obama und das FBI
Jetzt streitet der 75-Jährige Olson aus den Büros der Washingtoner Anwaltsfabrik Gibson, Dunn & Crutcher heraus für die kalifornische Ikone Apple. Damit steht er an der Seite von Apple-Chef Tim Cook, Google-Chef Sundar Pichai, aber auch von „Whistleblower“ Edward Snowden -alle im Kampf gegen das FBI. Die Bundespolizei will Apple zwingen, die Sicherheitsvorkehrungen eines ganz bestimmten iPhones eines getöteten Terrorverdächtigen auszuhebeln, was den Strafverfolgern die Möglichkeit geben würde, das Gerät zu entsperren.
Apple widersetzt sich der Anweisung, die Regierung Obama in Form des Justizministeriums will sie durchboxen. Das FBI habe „volle Rückendeckung des Präsidenten“ lässt das Weiße Haus wissen. Bis zum 26. Februar hat Tim Cook Zeit, dem Gericht eine formelle Antwort zu übermitteln. In einem offenen Brief hat er bereits seine Zweifel angedeutet. Die Ablehnung der gerichtlichen Aufforderung - und damit der Gang durch die juristischen Instanzen - scheint kaum noch zu verhindern.
Olson meint es ernst
Die Berufung Olsons, die aus Gerichtsdokumenten hervorgeht, macht klar, dass Apple mit seinem Widerstand mehr als nur einen PR-Gag landen will. Olson hätte gute Gründe, jede Gangart im Kampf gegen den Terror zu unterstützen. Als er unter George W. Bush als Generalstaatsanwalt der USA arbeitete, attackierten Terroristen die Twin Towers in New York. Seine Frau Barbara starb am 11. September 2001 in der Boeing des American Airlines Flug 77, der ins Pentagon gestürzt werden sollte. Doch das ließ Olson nie daran zweifeln, dass die Bürgerrechte oberste Priorität in einer freien Gesellschaft haben.
Deshalb kämpft er jetzt auf der Seite Apples: „Terroristen wollen unser Leben ändern“, so Olson in der ABC-Newsshow „This week“. „Aber wir sollten unsere Bürgerrechte nicht aufgeben und ihnen den Sieg gönnen, den sie eigentlich wollen.“ Apple sei nach geltendem Recht nicht dazu verpflichtet, Software zu entwickeln, die die Sicherheitsstandards so weit heruntersetzt, dass sie überwunden werden können.
Kritik am Vorgehen des FBI kommt auch von Ex-NSA-Chef Michael Hayden. Der will in diesem „ganz speziellen Fall“ zwar eher mit der Regierung sympathisieren. Allerdings, schränkt er im Interview mit „USA Today“ ein, sei er „generell gegen die Versuche der Regierung, dargestellt in Person von FBI-Chef Jim Comey“. Der wolle allgemeine und weltweit funktionierende Hintertüren für amerikanische Strafverfolger. Das, so der 70-Jährige, werde „am Ende die Sicherheit Amerikas beeinträchtigen, wenngleich es das Leben von Comey vielleicht hier und da ein wenig einfacher machen würde.“
Trump möchte Apple boykotttieren
Jetzt liege die Aufgabe aber bei Apple, zu beweisen, dass die limitierte Kooperation mit dem FBI tatsächlich „Tür und Tor für weitere Eingriffe in die Privatsphäre öffne.“ Andere, wie der mögliche Präsidentschaftskandidat Donald Trump, wollen dagegen einfach kurzen Prozess machen: „Was glauben die eigentlich wer sie sind?“, polterte Trump, um danach zu einem Apple-Boykott aufzurufen.
FBI-Chef James Comey versicherte, dass er mit dem Druck auf den Konzern zum Entsperren des iPhones eines toten Attentäters keinen Präzedenzfall für spätere Überwachung anstrebe. „Es geht um die Opfer und um Gerechtigkeit“, schrieb der Direktor der Bundespolizei in einem in der Nacht zu Montag veröffentlichten offenen Brief. Zugleich räumte er ein, dass es mit der Verschlüsselung einen Konflikt zwischen Sicherheit und Privatsphäre gebe. „Dieser Konflikt sollte nicht von Unternehmen gelöst werden, die davon Leben, Dinge zu verkaufen“, schrieb er. Allerdings auch nicht vom FBI, dessen Job Ermittlungen sind, sondern grundsätzlich vom amerikanischen Volk.
Derweil wird der Streit auf die Straße getragen: Für Dienstagnachmittag hat die Aktivistengruppe „Fight for the Future“ in 30 US-Städten zu Sympathie-Kundgebungen vor Apple-Geschäften aufgerufen. Schon vergangenen Mittwoch hatten sich spontan dutzende Demonstranten in San Francisco vor dem Store auf der belebten Market Street eingefunden. Für Dienstag werden Hunderte erwartet, mancherorts gar Tausende. Wie die Auseinandersetzung im übrigen auf den Aktienkurs wirken wird, steht völlig in den Sternen. Handelsblatt / Axel Postinett / Schlußbemerkung: sig