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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  Trading  FONDS  ZERTIFIKAT E  Rohstofe  Lebensart Kolummne Schliekers Woche Der Sparer und die Verlustangst Was denken Sie über dieses Thema ? Schreiben Sie gerne direkt an den Autor Reinhard Schlieker unter schlieker@boerse-am-sonntag.de Das hätte man sich sparen können: Zum Beispiel, Geld auf Konten einzuzahlen und auf dessen Verzinsung zu warten. 2013, 2014… und vermutlich auch 2015. Schon früher hieß es, aufgepasst! – mit Geldanlage ist nicht zu spaßen, denn Inflation nagt am Ertrag, Bankgebühren knabbern mit, und Steuereintreiber warten gleich um die Ecke, jede Freude bereit zu trüben, sollte die denn aufkommen. Wer all das umschifft hatte, war Besitzer des Übriggebliebenen sowie eines wohligen Gefühls. Nichts von alledem gilt noch. Negativzinsen, die kennt man schon, die waren genau genommen für einfache Anlageformen wie Sparbücher der Standard – nach Inflation. Nur optisch machte der Eintrag ins Büchlein etwas her. Der kluge Mensch baute auf Staatsanleihen, die warfen etwas ab, Festgeld und Bundesschatzbriefe gab es und auch noch Rentenfonds, sicher und gerecht. In diesen Zeiten ist es kaum möglich, bei vergleichbarer Risikoarmut nicht auch gleich selbst ganz arm zu werden. Der Anleger heute muss sich nicht um inverse Zinsstrukturen sorgen, denn es gibt offenbar gar keine Zinsstruktur mehr. Die Banken erwarten 2015 und darüber hinaus ähnliche Nullzinsen wie bisher. Rendite gibt es nicht mehr ohne deutlicheres Risiko, und das liegt den Deutschen nicht so. 600.000 Aktionäre sind 2013/2014 irgendwie verloren gegangen, sie hatten genug von Finanz- und Schuldenkrisen, und der Neue Markt, den mancher gern wiederbeleben würde, ist auch längst nicht vergessen in einer deutschen Gedankenwelt, in der Dreißigjährige förmlich nacherleben können, wie es in der Wirtschaftskrise 1929 und dann 1948 so zuging. Das Gestern stirbt nie. Jedenfalls bleiben auch unter den gegenwärtigen Umständen durchaus Wege aus der Misere, wenn man bereit ist, eine vernünftige Risikomischung einzugehen. Die Renditen ausländischer Staatsanleihen sind durchaus wahrnehmbar, und es müssen keine aus gefährdeten Ländern sein: Schwellenländeranleihen werfen über sechs Prozent ab, allerdings ist das Währungsrisiko gleich mit dabei. Was mit einer eigenen Anlage abgesichert werden kann, dann bleiben dennoch Renditen von um die vier Prozent, je nach Land und Währung. Ein Strafzins, wie er hierzulande auf Bargeldbesitz erhoben werden könnte, ist das jedenfalls nicht. Zum Jahreswechsel gilt für viele: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist uns wieder voraus, diesmal bei der Bewältigung der Krise. Ablesbar nicht nur am steigenden Dollarkurs, sondern auch an den Unternehmenszahlen. Beides arbeitet für den europäischen Anleger. Blue Chips an den amerikanischen Börsen sind eigentlich nie billig, manchmal aber preiswert. Damit Kurse und Erlöse steigen, muss aber eine doppelte Spekulation aufgehen: Die auf den Aktienmarkt und die auf die Währung. Das erscheint den meisten Analysten derzeit wahrscheinlich. Den Hoffnungen auf die USA liegt momentan aber auch ein gutes Stück Psychologie zugrunde: In der Rohstoffversorgung macht das Land gewaltige Sprünge in Richtung Autarkie, was Abhängigkeiten von eher unbeliebten Ländern verringert, allerdings geopolitisches Risikopotential enthält: Vom eher unbedeutenden Venezuela bis zum eher bedeutenderen Russland macht man sich derzeit keine Freunde, von den arabischen Staaten mit Öl ganz zu schweigen. Bei der Analyse von Anlagemöglichkeiten sollten solche Verschiebungen der politischen Tektonik nicht vergessen werden. Wie werden die USA mit den gewonnenen Handlungsspielräumen umgehen? Wohlstandsmehrend oder konfliktträchtig? Angesichts des schwachen Wachstums in Europa und einer zunehmend umstrittenen Politik der EZB drängen sich also die entfernteren Anlagemöglichkeiten geradezu auf. Vielleicht wird dies alles zu einem Anstoß, auch die in Deutschland kaum meßbare Aktienkultur ein Stück voranzubringen. Die Suche nach Rendite könnte bei längerer Nullzinsphase sogar eher phlegmatische Duldernaturen auf die Palme bringen, wo immer die auch stehen mag. Reinhard Schlieker ZDF Wirtschaftskorrespondent BÖRSE 05 am Sonntag · 50 | 201 4


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