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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKATE  Rohstoffe   Lebensart Die Personalie galt in seiner Zeit bei der IG Metall als harter Verhandlungspartner. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil – selbst Aufsichtsratsmitglied, da Niedersachsen 20 Prozent der VW-Anteile hält – bauchpinselte Huber am Samstagabend. „Es war der Wunsch der Anteilseigner, dass Berthold Huber nun zunächst kommissarisch die Führung der Geschäfte des Aufsichtsratsvorsitzenden übernimmt. Er hat dabei die ausdrückliche Unterstützung der Anteilseigner“, so Weil in einer Stellungnahme zu dem Führungsumbau bei Volkswagen. Ob es der Wunsch von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite bei VW ist, dass sich ein gewählter Politiker auf das Trittbrett schwingt und in seiner Rolle als Aufsichtsrat demonstrativ Gewerkschaftsnähe zeigt – das mag dahinstehen. Staunend stehen die Beobachter des VWDramas um Ferdinand Piëch: Huber ist als stellvertretender Aufsichtsratschef der natürliche Kandidat, um temporär das Gremium zu leiten. Aber dass ein Gewerkschafter wird das Aktionärstreffen eines der größten Konzerne des Landes verantwortet, ist dennoch ein wohl einmaliges Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Mit Krisen kennt sich Huber aber aus. Seine sechsjährige Amtszeit als Gewerkschaftschef endete vor anderthalb Jahren. Er stand der IG Metall also vor, als die Finanzkrise 2009 in einen konjunkturellen Absturz mündete und IG-Metall- Betriebe im ganzen Land besonders heftig betroffen waren. Kurzarbeit sicherte im großen Maßstab Arbeitsplätze. Und Huber zog einen weiteren Trumpf aus dem Ärmel: die Abwrackprämie. Der Bund zahlte 2009 bei der Verschrottung von Altfahrzeugen eine Prämie in Höhe von 2500 Euro, die Förderung gilt als Hubers Idee. So sollte der Autoabsatz im Inland gestützt und Arbeitsplätze gerettet werden. Der Absatz von 400.000 neuen VW-Fahrzeugen wurde damit gefördert. Huber gilt auch als einer der Väter des „Pforzheimer Abkommen“, das bereits seit 2004 die Flächentarifverträge flexibler macht, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten geraten ist. Leitet den VWAufsichtsrat: der Sozialdemokrat und Ex-IG-Metall-Chef Berthold Huber. Huber trat am Samstagabend, wen wundert es, mit Niedersachsens Ministerpräsident Weil vor die Kameras. Er sagte, die Entwicklung der vergangenen Wochen bei Volkswagen habe zu einem Vertrauensverlust geführt. Dieser habe sich als nicht mehr lösbar erwiesen. Der bisherige Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hatte versucht, VW-Chef Winterkorn aus dem Amt zu treiben, war aber auf eine Phalanx von Winterkorn-Fans im Aufsichtsrat gestoßen. Der Konflikt löste eine Vertrauenskrise in die Führung des Autokonzerns aus, unter der auch der Aktienkurs litt. „Herr Piëch hat daraus die Konsequenzen gezogen und alle seine Ämter in VW-Aufsichtsräten niedergelegt“, so Huber. Er dankte dem 78-jährigen Firmenpatriarchen. Piëch habe sich große Verdienste um Volkswagen und die gesamte Automobilindustrie erworben. Huber steht wirtschaftspolitisch für eine Weiterentwicklung des rheinischen Kapitalismusmodells, wie der Gewerkschaftsforscher Wolfgang Schroeder analysiert hat. Teilhabe und Bildung sind sein Thema - aber auch verlässliche Strukturen. Für die Beschäftigten verlangen sie sichere Jobs, den Unternehmen bieten sie Co-Management statt Klassenkampf an. Bei Volkswagen zeigt Huber diese Pragmatik jetzt im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit. Und dass womöglich über die Hauptversammlung am 5. Mai hinaus. Denn bei der Suche nach einem Nachfolger für Ferdinand Piëch wolle sich das Gremium Zeit lassen. „Der Aufsichtsrat ist arbeitsfähig, das Management ist voll funktionsfähig“, sagte Weil am Samstag. Man werde „in Ruhe und Umsicht beraten“, wer den Posten übernehmen solle. Es gebe keinen Grund zur Eile – Ziel sei es, dass das Gremium einen einstimmigen Vorschlag unterbreite. Vermittlungskünste sind jetzt gefragt. Ob Huber, der nicht als überdurchschnittlich kompromissfreudig gilt, nun zu einem Brückenbauer wird – auch das muss die Zukunft zeigen. Handelsblatt / Oliver Stock / Martin Dowideit / sig 15 BÖRSE am Sonntag · 17/1 5 Spezial


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