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UNTERNEHMEN  Fonds   ZERTIFIKATE  rohstoffe   Denkzeit Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE Die Rezepte des neuen CEO Cryan als Vortandschef – das wird als „interne Lösung“ bezeichnet. Seine Berufung war der Hauptgrund für die Analysten der Berenberg Bank, die Deutsche Bank von Sell auf Hold aufzuwerten. „Dieser Wille, mit der Vergangenheit zu brechen, und das anstehende Strategie Update im Oktober seien Gründe für sein neues Anlagevotum“ schrieb Analyst James Chappel in seiner Studie. Er erwartet von Cryan wie die Mehrzahl seiner Kollegen eine Art „Salamitaktik“ für den Umbau des größten deutschen Geldhauses. Dass der Brite bei der Deutschen Bank nicht wie bei der UBS frei aufräumen und Altlasten beseitigen kann, hat allerdings Gründe. Ein Ausverkauf von Derivaten, die Eigenkapital binden, könnte zu einem Milliardenverlust führen. Den will Cryan vermeiden – nicht zuletzt weil er damit das Top-Management verschrecken würde, das er für den Umbau dringend benötigt. Würden Verluste aus Derivatenverkäufen bilanzwirksam, würden manche Deutschbänker nachträglich ihre Boni teilweise verlieren, so die Befürchtungen. Cryan könnte eine Art Spagat versuchten: die Bilanz sachte säubern, ohne die Gewinne allzu sehr zu belasten, und trotzdem den Umbau vorantreiben. Doch die Bilanz ist nur eine der Großbaustellen, die Cryan beschäftigen. Eine weitere neue Strategie ist der Plan, sich von weltumspannenden Ambitionen zu verabschieden, wie es aus dem Unternehmen zu hören ist. Die Bank, die als internationalste Adresse unter den deutschen Finanzhäusern gilt, möchte sich fortan nur noch auf ausgewählte Teile der Welt konzentrieren. Der Rückzug aus Finnland, Dänemark, Norwegen, Malta, Peru und Neuseeland scheint dabei beschlossene Sache. Die Vereinigten Staaten und Asien gehören dagegen zu jenen Märkten, auf die sich die Deutsche Bank konzentrieren möchte, wie Insider berichten. Doch gerade der Asiatische Markt, insbesondere China ist verantwortlich für den Kurssturz des letzten Monates. Neben konjunkturellen Problemen hat die Deutsche Bank auch immer noch mit Auswirkungen der Finanzkrise von 2007 zu kämpfen. Zum Beispiel umstrittene Geschäfte mit verbrieften Immobilienkrediten in den USA führen zu milliardenschweren Rechtsstreitigkeiten. Analysten schätzen, dass noch rund drei Milliarden Euro an Vergleichszahlungen fällig werden könnten, ehe die zahllosen Rechtsstreitigkeiten beendet sein werden. Trotz allem: gute Zahlen Aber nicht alles ist schlecht bei der Deutschen Bank, zumindest die Quartalszahlen lassen hoffen. Denn dort war ein satter Gewinn verzeichnen. Im zweiten Quartal 2015 lag der Nettogewinn bei 796 Millionen nach nur 237 Millionen im selben Vorjahreszeitraum. Um den Gewinn weiter zu erhöhen, möchte sich Cryan den zukünftigen Herausforderungen tellen. Er nennt dabei „inakzeptable hohe Kosten, anhaltend hohe Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten, zu bilanzintensive Geschäfte und insgesamt eine zu niedrige Rendite“. Wie lange es dauern wird, diese Herausforderungen zu lösen, ist nicht abzusehen. Auch Analysten des japanischen Analysehaus Nomura attestieren der Deutschen Bank grundsätzlich eine gute Entwicklung, aber „es werde aber wohl noch eine Zeit dauern, bis sich Maßnahmen wie etwa die geplante Kostensenkung auch sichtbar in den Büchern niederschlugen“. Aber auch die Strategie, die Anshu Jain vor seinem Rücktritt noch präsentierte, wird wohl vom neuen Chef übernommen. Hier ging es um eine Schrumpfkur im Privatkundengeschäft und die Trennung der Postbank. Diese wurde in den letzten Wochen vorangetrieben, kleine Aktionäre wurden per squeeze out hinausgedrängt. An ebendiese ehemaligen Aktionäre muss die Deutsche Bank aber Abfindungen zahlen, die Experten zufolge recht hoch sein könnten. Auch das kostet das Unternehmen wieder einmal sehr viel Geld. Die Postbank hingegen werden Anleger vermutlich schon nächstes Jahr als eigenständiges Unternehmen auf den Kurszetteln der Börse sehen. Alles in allem plagen die Deutsche Bank viele Probleme, die auch durch die neue Spitze nicht verschwinden. Der „kleine“ Neuanfang mit John Cryan ist aber eine Chance, die Zukunft erfolgreicher zu gestalten, damit das traditionsreiche Finanzhaus nicht nur auf dem Papier die Nummer eins ist, damit vor allem nicht die „Habenwerte“ von der Menge der „Sollwerte“ überflügelt werden. Grund zur Hoffnung ist da – dafür muss aber endlich wieder Kontinuität in die beiden markanten Türme in Frankfurt, genannt „Soll und Haben“ einziehen. VAL 18 BÖRSE am Sonntag · 37/1 5 Unternehmen der Woche


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