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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 09

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Der Euro – ein politischer Sanierungsfall 16 BÖRSE am Sonntag · 09/17 Maßgeblich für die Einführung des Euro als offizielles Zahlungsmittel im Jahr 2002 waren vor allem politische Erwägungen. Insbesondere Frankreich behagte die Vormachtstellung der Deutschen Bundesbank in Europa nicht. Zumal mit der Wiedervereinigung unter den europäischen Nachbarn die Sorgen vor einer Ausweitung der wirtschaftlichen und politischen Dominanz Deutschlands größer wurden. Das ist alles lang vorbei. In der Ausgestaltung der Währungsunion wurde mit den Maastricht-Kriterien, die den einzelnen Mitgliedsländern ein Haushaltsdefizit von maximal drei Prozent und eine öffentliche Gesamtverschuldung von maximal 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts erlaubten sowie eine Inflationsobergrenze umfassten, zwar ein ökonomischer Rahmen geschaffen, der die Stabilität der Gemeinschaft sichern sollte. Insgesamt standen wirtschaftliche Überlegungen hinter den politischen Motiven bei der Einführung des Euro jedoch zurück. Entsprechend groß waren die Vorbehalte seitens vieler Wirtschaftsexperten: Anders als die Anhänger der Grundsteintheorie, die hofften, über die Einführung einer gemeinsamen Währung den Integrationsprozess in Europa beschleunigen zu können, waren sie der Überzeugung, dass eine funktionierende Währungsunion nur auf Grundlage einer bestehenden einheitlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik möglich sei. 1997 klagte eine Gruppe um den Tübinger Ökonomieprofessor Joachim Starbatty vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro, da einige Länder die Maastrichter Stabilitätsanforderungen schon damals nicht erfüllten. Auch die Bundesbank äußerte 1998 Skepsis, unter anderem im Hinblick auf die hohe Verschuldung Italiens, schloss ihren Bericht jedoch mit der Einschätzung, dass eine Währungsunion „stabilitätspolitisch vertretbar“, die Auswahl der Teilnehmerländer aber „eine politische Entscheidung“ sei. Genau hier liegt meines Erachtens der Kardinalfehler: Länder in eine Union zu zwängen, die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung weit auseinanderlagen und unterschiedliche ökonomische Bedürfnisse hatten. Dadurch entstand die Situation, dass südeuropäische Länder, deren Währungen massiv zur D-Mark abgewertet hatten, mit der Einführung des Euro-Buchgelds ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr über weitere Abwertungen, sondern nur über eine Steigerung ihrer Produktivität oder sinkende Preise und Löhne aufrechterhalten konnten – was ihnen bis heute nicht gelungen ist. Dabei schienen die Rahmenbedingungen für ein wirtschaftliches Zusammenwachsen zunächst gut: Die Zinsen, die die einzelnen Länder für neue Schulden bezahlen mussten, liefen weiter zusammen. Länder wie Griechenland oder Italien konnten sich plötzlich zu günstigeren Konditionen Geld leihen. Doch während Italien seine Verschuldung – zumindest bis zur Finanzkrise 2008 – leicht senken konnte, nutzte der griechische Staat die neuen Möglichkeiten, um mehr Kredite aufzunehmen – Geld, das zum größten Teil nicht in die Verbesserung der wirtschaftlichen Strukturen, Foto: @ eyetronic - Fotolia.com


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