LEBENSART ROHSTOFFE AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN TRADING FONDS ZERTIFIKATE
Spione,
die wir jetzt
weniger lieben
Erst waren es 50 Millionen Nutzer, nun schon 87 Millionen, wie Mark Zuckerberg mitteilte:
Facebook-Gate wird immer größer. Über Facebook schwebt der Verdacht, unmittelbar oder
mittelbar die Präsidentschaftswahlen in den USA und auch die Bundestagswahlen in Deutschland
beeinflusst zu haben. Was uns Nutzer nun erwarten könnte.
Android-Nutzer erfuhren jüngst, dass ihre Textnachrichten und
Anruflisten von Facebook erfasst wurden. Bisher war es Facebook,
das entschieden hat, wem gekündigt und wessen Profil gelöscht
wird. Nun wird Facebook gekündigt: Unter dem Hashtag
#
DeleteFacebook versammeln sich viele Prominente, die, wie
Tesla-Gründer Elon Musk, ihre Facebook-Profile öffentlichkeitswirksam
löschen. Der amerikanische Kongress und der Bundestag
möchten die Verantwortlichen von Facebook, allen voran den
BÖRSE am Sonntag · 14/18
Der Facebook-Skandal
40
Gründer Marc Zuckerberg, vorladen.
Die deutsche Justizministerin, Katharina Barley, forderte in ihrer
Regierungserklärung, Facebook möge sich erklären, was mit
den Daten von 30 Millionen deutscher Nutzer ist, denn das sei
eine zentrale Frage des Datenschutzes. Was passiert, wenn sie es
erfährt? Gibt es dann gegebenenfalls in Deutschland Neuwahlen?
Das „Forum Netzpolitik“ der SPD Berlin fordert: „Die Unternehmen
müssen verpflichtet werden, den Nutzer*innen eine
Rückmeldung zu geben, welche Daten erhoben werden und was
sie mit diesen machen.“ Verständlich und für alle Unternehmen
verbindlich: „Der Grundsatz der reinen Datenvermeidung ist für
uns überholt.“ Diese und ähnliche Vorschläge lassen aufhorchen.
Was folgt daraus, dass der Nutzer „weiß“ (denn jetzt wissen wir es
ja), was Unternehmen mit seinen Daten machen? Vorläufig nichts.
Blaming the victim
Auch wenn der Nutzer nichts davon wusste, dass seine persönlichen
Daten von einer App gesammelt wurden, die er nicht
installiert hat, um dann von einer Firma verarbeitet und verkauft
zu werden, von der er nichts gehört hat, so hätte er es
– nach Auffassung von Facebook – wissen müssen. Das würde
ganz vorne in der App, gleich am Anfang stehen, teilte der Internetriese
lapidar mit. Und der Nutzer hätte, falls er damit ein
Problem hätte, dass seine Textnachrichten, Anrufe und weitere
Daten erfasst und Facebook mitgeteilt werden, die Default-
Einstellung „share“ in seinem Profil ausschalten können. Also
alles heiße Luft?
Wohl kaum. Facebook selbst hat Datenlecks zugegeben. Doch
Zuckerberg und Co. könnten davonkommen: „Die Wahrscheinlichkeit,
wegen eines Datenschutzvorgehens abgeurteilt
zu werden, ist äußerst gering“, wertete die Journalistin Christiane
Schulzki-Haddouti in c’t (10/2016) die Wirksamkeit
der Strafvorschrift des BDSG, § 44 (bzw. § 43 BDSG (neu)
und ab Mai 2018 auch Art. 84 DSGVO), aus: „Im Zehnjahresverlauf
wird von 52 Tatverdächtigen gerade mal einer am
Ende abgeurteilt.“ Die Strafvorschrift „legt die Latte hoch,
da sie eine ‚vorsätzliche Handlung gegen Entgelt‘ oder in
Schädigungsabsicht voraussetzt“. In der Gesetzeskonstruktion
würde das Problem liegen: „§ 44 sei kaum geeignet, strafwidriges
Unrecht von ordnungswidrigem Verhalten abzugrenzen.“
Das Ergebnis: Die Polizei hätte Tausende von Verdächtigen
hinsichtlich von Datenschutzverletzungen ermittelt, nach
§ 44 verurteilt wurden nicht einmal drei Dutzend, schreibt
Schulzki-Haddouti.
Von Aleksandra Sowa