Völlig papierlos läuft auch die Total Weather Insurance, ein Beispiel
aus den USA. Dabei handelt es sich um eine Ernteausfallversicherung,
bei der durch Nutzung von Daten einzelner Landwirte
und deren Verknüpfung mit riesigen externen Datenmengen der
gesamten USA, zum Beispiel zu Wetter oder Bodenbeschaffung,
mithilfe statistischer Methoden vollautomatisch für jeden Bauer
eine Police kalkuliert wird und ein Schadenfall ebenso einfach reguliert
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werden kann.
Die Sofortregulierung – mit kurzen Reaktionszeiten und wenig
menschlicher Interaktion – wird in Deutschland derzeit neben der
Krankenversicherung auch in der Kfz-Versicherung angewandt.
Die DEVK bietet beispielsweise die Easy Claim App an, mit der
die Kunden ihren Schaden melden können. Dafür können 360-
Grad- und Detailbilder hinterlegt werden. Innerhalb von zwei
Stunden erhält der Kunde eine Rückmeldung zur Schadenhöhe.
Ein weiteres Hype-Thema in der Branche sind neben der Dunkelverarbeitung
auch Smart Contracts. Dabei wird der gesamte
Vorgang vom Vertragsabschluss bis zur Auszahlung im Schadenfall
vollautomatisch abgebildet. Ein Beispiel dafür ist die im September
2017 von Axa gelaunchte Versicherung „Fizzy“, mit der sich
Fluggäste gegen Verspätungen absichern können. Dabei wird der
gesamte Vorgang über die derzeit bekannteste Smart-Contract-
Plattform Ethereum abgewickelt.
Eine große Herausforderung, die all die Digitalisierungsthemen
mit sich bringen, ist die Tatsache, dass sich Branchengrenzen zunehmend
auf lösen. Das betrifft bei Weitem nicht nur die Assekuranz,
sondern eigentlich alle Wirtschaftsbereiche. Die Versicherungen
„können darauf reagieren, indem sie selbst versuchen, mit
ihrem Leistungsangebot in neue Kernbereiche hineinzuwachsen
und sich in Richtung eines Mischkonzerns weiterzuentwickeln“,
heißt es in der Studie dazu.
Ansätze für neue Geschäftsmodelle
Versicherungen können sich beispielsweise als White-Label-
Lieferant aufstellen, zum Beispiel für Anbieter, die ihre Smart-
Home- Lösungen mit einer Hausratversicherung ergänzen, für
Telekommunikationsunternehmen, die Smart Devices mit einer
Cyber- Security-Versicherung erweitern, oder für Gesundheitszentren,
die Fitness-Tracker mit der passenden Kranken(zusatz)ver-
sicherung anbieten wollen. Die Versicherer könnten auch selbst ihr
Geschäftsmodell in Zusammenarbeit mit Partnern ihres „Ökosystems“
ausweiten, um Kunden ein übergreifendes Leistungspaket
für ganze Lebensbereiche zu bieten, das über den reinen Versicherungsschutz
hinausgeht: ein Weg, den etwa die Huk-Coburg geht,
die ihr Geschäftsmodell um den Verkauf von Gebrauchtwagen
erweitert hat und sich in Richtung Mobilitätsanbieter entwickelt.
Die Studienexperten gehen davon aus, dass Google, Amazon und
Facebook den Versicherern in einer ferneren Zukunft das Leben
schwermachen werden. Sie halten es für durchaus wahrscheinlich,
dass die Internetkonzerne ihre Marktmacht auch in der Versicherungswirtschaft
einbringen werden. Mit ihren digitalen Assistenten,
die sich mit sehr großer Sicherheit im Privatkunden- Umfeld
breitmachen werden, haben sie die Möglichkeit, sich „zu noch stärkeren
Gatekeepern, die dem Nutzer eine Vorauswahl geben“, zu
entwickeln. Dabei sollten sich die Versicherer nicht allzu sehr von
den gescheiterten Versuchen von Google, in der Kfz-Versicherung
Fuß zu fassen, in Sicherheit wiegen. Denn es gibt genügend Hinweise
darauf, dass sich die Datenriesen an das Versicherungsgeschäft
herantasten. Dazu gehört beispielsweise die Ankündigung
von Amazon, JP Morgan und Berkshire Hathaway, einen gemeinsamen
Krankenversicherer für die eigene Belegschaft zu gründen.
Da Daten zu einem erfolgskritischen Wirtschaftsgut werden, müssen
die Versicherer aufpassen, dass sie nicht von denjenigen überholt
werden, die einen besseren Zugang zu den Kunden haben.
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