LUDWIG-ERHARD-GIPFEL AKTIEN & MÄRKTE FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE
€ immer noch genügend Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und
Gemeinden, mit denen die Aufgaben eines modernen Sozialstaats
finanziert werden können. Die Steuereinnahmen werden in den
nächsten Jahren aber nur weiter fließen, wenn unsere exportorientierte
Volkswirtschaft auch und vor allem international wettbewerbsfähig
bleibt. Das wird nur gelingen, wenn wir an uns selbst
den Anspruch stellen, in allen modernen Technologien wenigstens
unter den ersten drei Ländern der Welt zu liegen. Deutschland
muss vor allem der anwendungsorientierten Forschung im Bereich
der Künstlichen Intelligenz, der Biotechnologie, der zukünftigen
Mobilität, der Energieerzeugung und neuer Werkstoffe genügend
Raum geben.
4 Selbst unter optimalen Bedingungen wäre Deutschland im
internationalen Wettbewerb auf sich allein gestellt aber immer
noch zu klein. Wir haben daher ein existentielles Interesse an einer
erfolgreichen europäischen Zusammenarbeit. Wenn nicht gleich
alle 27 Mitgliedstaaten den gemeinsamen Weg gehen wollen, dann
müssen wir mit einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
vorangehen. Das gilt insbesondere für Frankreich. Wir sollten
nach Wegen suchen, mit Frankreich gemeinsame wirtschaftspolitische
Projekte etwa im Bereich der digitalen Infrastruktur, der
Telekommunikation oder der Mobilität zu realisieren. Das letzte
erfolgreiche gemeinsame deutsch-französische Großprojekt war die
Gründung des Unternehmens Airbus vor fast 50 Jahren! Warum
denken wir zusammen mit Frankreich nicht nach über einen „Digital
Airbus“, der nach dem Vorbild der Luftfahrt auch im Bereich
der Digitalindustrie ein großes, international wettbewerbsfähiges
Unternehmen in dieser Industrie schafft?
5 Unsere Abhängigkeit von amerikanischen Unternehmen in de-
Digitaltechnologie wird trotzdem bestehen bleiben. Deshalb müssen
wir nach Wegen suchen, wie die Handelskonflikte mit den
USA entschärft werden können. Präsident Trump hat mit seiner
Kritik an Europa trotz seiner herabsetzenden Rhetorik ja nicht
nur unrecht. Wir müssen Amerika gleichwohl aus einer Position
der Stärke gegenübertreten. Stark sind wir in Europa aber nur,
wenn wir uns untereinander einig sind und geschlossen auftreten.
In diese Einigkeit und Geschlossenheit muss Deutschland mehr
politische Kraft investieren. Und wir müssen vor allem in Zukunft
darauf verzichten, aus rein innenpolitischen Erwägungen heraus
Entscheidungen zu treffen, die – wie etwa der deutsche Alleingang
in der Energiepolitik und auch in der Einwanderungspolitik – voraussehbar
gegen die Interessen unserer europäischen Nachbarn
verstoßen.
6 Schließlich braucht Europa eine gemeinsame und wirkungsvolle
Strategie gegenüber der Volksrepublik China. China verfolgt
mit dem Projekt einer neuen Seidenstraße eine massive Expansion
seines politischen und wirtschaftlichen Einflussbereichs weit über
das eigene Territorium hinaus. Gleichzeitig sichert sich China seit
vielen Jahren den Zugang zu Rohstoffen vor allem auf dem afrikanischen
Kontinent. Die Europäische Union beschäftigt sich
derweil weiter mit kleinteiligen Themen und erhöht beständig den
bürokratischen Aufwand für den privaten und den öffentlichen
Sektor. Eine europäische Chinastrategie müsste der wesentliche
Bestandteil der europäischen Handelspolitik im Jahr 2019 sein einschließlich
der Überlegung, wie auch wir europäische Unternehmen
schaffen können, die groß genug sind, um den chinesischen
und amerikanischen Unternehmen auf der Welt auf Augenhöhe
begegnen zu können. In der Liste der größten 100 Unternehmen
der Welt verliert Europa sonst noch weiter den Anschluss.
7 Der wirtschaftliche Erfolg Europas entscheidet schließlich auch
darüber, ob es uns gelingt, unsere offene Gesellschaft zu bewahren.
Wir befinden uns, so sagt es Heinrich August Winkler, „mitten
in einem Kulturkampf um die Zukunft unseres freiheitlichen, liberalen
Gesellschaftsmodells, und es ist keineswegs ausgemacht,
dass wir diesen Kampf gewinnen.“ Autoritäre politische Führer
bekommen nicht nur außerhalb Europas immer mehr Einfluss
und Zustimmung. Deshalb ist es auch politisch so enorm wichtig,
zu zeigen, dass unser Modell einer Sozialen Marktwirtschaft
wieder an Dynamik gewinnt und unsere Wirtschaftsordnung den
Beweis antritt, dass „Wohlstand für alle“ auch im 21. Jahrhundert,
im Jahrhundert der digitalen Revolution und der unaufhaltbaren
weiteren Globalisierung, möglich und erreichbar bleibt.“ wmg
11 BÖRSE am Sonntag · 02/19