LUDWIG-ERHARD-GIPFEL AKTIEN & MÄRKTE FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE
von links nach rechts: Greg Hands, Prof. Henning Vöpel, Prof. Yu Thang, Wolfram Weimer
Ein „No-Deal-Brexit“ wird immer wahrscheinlicher
Spätestens am Freitag, den 29. März, jedoch muss eine Entscheidung
her, denn dann werden die Briten der EU den Rücken kehren,
es sei denn es käme zu einem zweiten Volksentscheid. Hands hält
da aber den „No-Deal-Brexit“ für wahrscheinlicher, was jedoch die
wohl schlechteste Option für beide Seiten wäre. „Das Risiko, dass
Großbritannien die EU ohne Abkommen verlässt, steigt jeden Tag“,
sprach Hands Klartext. Dabei seien die Probleme lösbar und ein Abkommen
zur Zufriedenheit beider Seiten weiterhin möglich. „Nach
dem Ausstieg wird Großbritannien nach den USA der zweitgrößte
Handelspartner der EU sein, hier dürfen ganz einfach keine größeren
Handelsbarrieren entstehen“, mahnte Hands eindringlich.
Fakt dürfte sein: Der Brexit, ob nun mit Abkommen oder ohne,
wird die Situation in der sich Europa derzeit befindet, weiter verkomplizieren.
Die konjunkturellen Risiken seien hoch, warnte
Henning Vöpel, Professor am Hamburger Weltwirtschaftsinstitut
(HWWI). Und diese erschwerten das Lösen dringendster europäischer
Fragen noch weiter. Er sei vor allem skeptisch, ob es Europa
schaffe seine Stimme zu erheben. Wir, also die Europäer, seien
nicht in der Lage gemeinsame Interessen zu definieren, so wie es
China und die USA tun würden. Daran, so der Experte, sei die
EU selbst schuld, da sie es verpasst habe gemeinsame Interessen
zu definieren und die Einigung schnell genug zu vollziehen. Doch
jetzt gehe es zuallererst darum, den Zerfall Europas zu vermeiden.
HWWI-Professor Henning Vöpel sieht deutsche „Vermögensillusion“
Mit Blick auf eine mögliche Rezession dürfe man die derzeitige
Situation aber auch nicht überdramatisieren, versuchte sich Vöpel
an positiveren Nachrichten. Für 2019 erwarte er ein Wachstum in
Höhe von 1,5 Prozent, was immer noch auf Höhe der Potenzialrate
liege (von 2008 bis 2018 lag man sogar darüber). Es gebe also keinen
Grund für Angstszenarien. Es hätten sich dazu bis dato keine
„gefährlichen Überkapazitäten und Überinvestitionen“ aufgebaut,
es gebe zwar Übertreibungen an den Vermögensmärkten, wovon er
allerdings keinen Übergriff auf die Realwirtschaft erwarte, so der
Wissenschaftler weiter. Dennoch müssten einem die drohenden
Handelskonflikte schon Sorge bereiten. „Die deutsche Wirtschaft
ist abhängig von ihrem Exportmodell.“, weiß Vöpel. Und mit der
Ablösung der Industrialisierung durch die Digitalisierung kämen
nun geopolitische Veränderungen, fuhr er fort und hielt fest: „Wir
haben es in Deutschland derzeit mit einer Vermögensillusion zu
tun, ruhen uns auf unserem Kapitalstock aus, unterliegen dabei
aber einem sehr harten Transformationsprozess.“
Industrie 4.0 noch nicht in deutschen Köpfen angekommen
Davon ist auch China Communications-Expertin Yu Zhang überzeugt.
So sei China beispielsweise 2013 in eine neue Phase eingetreten,
in der die immer mehr zur Weltmacht avancierende Nation
von der „Werkbank der Welt“ zur „Technologie- und Dienstleistungsnation“
werden wolle. Damit einhergehend legten die Chinesen
große Hoffnungen in die Industrie 4.0. Ein Thema, dass in
vielen deutschen Köpfen noch gar nicht richtig angekommen sei,
so die Professorin.
Greg Hands immerhin versprach zum Schluss in Richtung der
über 500 Gipfelteilnehmer: „Wir bleiben Freunde.“ Und Verleger
Weimer forderte: „Bitte kommen Sie im nächsten Jahr als Außenminister
zurück!“ Man darf ja wohl noch träumen. Und wer weiß.
Er wäre nicht der erste Gast, der nach seinem Besuch auf dem
Ludwig-Erhard-Gipfel in höchste Ämter vorstößt. Oliver Götz
13 BÖRSE am Sonntag · 02/19