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Amazon bleibt gefährlich. Auch der jüngste Absturz der Technologie
Aktien an der NASDAQ und den Börsen weltweit kann
den Branchenführer nicht erschüttern. Aber – welche Branche
eigentlich? Amazon bedient Kundenwünsche mittlerweile zu
Lande, zu Wasser und in der Luft, experimentiert mit Drohnen,
kauft Bioläden, verkauft Bücher und alles, was man überhaupt
an beweglichen Gütern verkaufen kann – zum großen Teil über
selbstständige Händler auf seiner Plattform. Gewinn wirft vor
allem das Cloud-Geschäft ab, bei Amazon lagern Milliarden
Datensätze aus aller Welt. Böse Zungen nennen den Internet-
Konzern eine Krake.
Aber – so viele Arme hat kein Wasserwesen, wie Amazon Ausläufer
aufweist. Und die dauernde Expansion des ehemaligen
Bücherversenders ist auch nötig. Denn trotz seiner Marktmacht
droht Amazon gewichtige Konkurrenz: Der chinesische Rivale
Alibaba steht erst am Anfang seiner Laufbahn und macht dem
amerikanischen Riesen dennoch schon Konkurrenz. Im belgischen
Lüttich baut Alibaba sein europäisches Drehkreuz auf.
Das soll angeblich vor allem dazu dienen, europäische Güter
nach China zu verschiffen – aber nach aller Erfahrung ist der
umgekehrte Weg derzeit erheblich attraktiver. Jedenfalls baut
Alibaba an einer internationalen Handelsplattform – Firmengründer
Jack Ma hat dafür den nötigen Rückhalt in der chinesischen
Politik. Alles, was nach Seidenstraße aussieht, und sei
47 BÖRSE am Sonntag · 02/19
es eben digital, wird in Peking gefördert.
Und so bastelt Alibaba an einer Handelsplattform, die Hersteller
und Kunden direkt zusammenbringt, ohne Zwischenhändler,
ohne viel Federlesens. Seinen asiatischen Stützpunkt hat
Alibaba in Kuala Lumpur, seinen afrikanischen in Ruanda. Das
afrikanische Vorzeigeland ist mit der Digitalisierung weit fortgeschritten,
es hat Verträge mit praktisch allen bedeutenden
Unternehmen der neuen elektronischen Welt – China ist dort
ohnehin aktiv beim Ausbau der Infrastruktur. Alibaba dürfte
sich da wohlfühlen. Und wird in atemberaubenden Tempo zum
Disruptor der Disruptoren. Amazon als Platzhirsch dürfte das
nicht gefallen. Zumal Alibaba plant, Waren binnen 72 Stunden
weltweit an den Kunden zu bringen. Das kann Amazon zwar
noch toppen, aber wie lange noch?
In den deutschen Ballungsräumen immerhin versendet Amazon
ausgewählte Waren am Bestelltag – da kann es mitunter
vorkommen, dass man sein Paket in etwa innerhalb der Zeitspanne
erhält, die man auch gebraucht hätte, um zum Buchladen
in der Innenstadt zu fahren. Wer bei diesem Elefantenduell
das Nachsehen hat, ist natürlich nach wie vor klar: Der
stationäre Einzelhandel. Wer sich dort nicht nolens, volens
auf die Plattformen der Großen begibt, sieht einer düsteren
Zukunft entgegen. Die Verödung der Innenstädte ist seit Jahren
mit Händen zu greifen – ebenso lange sucht die Politik
ein Mittel dagegen und findet es nicht. Derweil ist Amazon
in Gebiete vorgedrungen, wo man es nicht erwartet hätte. In
den USA liefert der Gigant inzwischen auch Medikamente und
Klinikbedarf. Der Expansion sind nur Grenzen durch national
Vorschriften gesetzt, die Amazon recht geschickt zu umgehen
weiß. Jedenfalls sind Versandapotheken genauso beunruhigt
wie Textilläden – ein Rezept gegen den Riesenkraken hat niemand.
Wer als kleiner Einzelhändler vor Jahren billig Amazon-
Aktien gekauft hat, kann sich je nach Anlagesummer ganz geruhsam
in die Rente verabschieden. Den anderen, und das ist
wohl die Mehrheit, bleibt heute nur der Abwehrkampf.
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Amazon – der große
Disruptor
von Reinhard Schlieker
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