AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Volkswagen:
Zeitenwende
im Raubtiermodus
Wie kein anderer Massenhersteller drückt VW mit Blick auf die automobile Zukunft das Gaspedal
durch, investiert Milliarden in E-Mobilität und Automatisierung. Ob neues Baukastensystem,
moderne Fabriken, eigene Schnellladesäulen, Pläne zur selbstständigen Batterieproduktion
oder die Gründung eines eigenen Stromanbieters. Volkswagen wagt mit beispielloser
Konsequenz die Neuausrichtung und macht damit seine extrem günstige Aktie hochinteressant.
Doch der Grat zwischen glorreicher Auferstehung und einem letzten verzweifelten
Blickt man nur auf das, was Volkswagen
heute, Anfang 2019, an gigantischen
Plänen für die Zukunft schmiedet, dann
scheint es wirklich schwer vorstellbar,
dass das derselbe Konzern ist, der im
September 2015, also vor gut drei Jahren,
endgültig dabei ertappt worden war,
wie er mit illegalen Abschalteinrichtungen
seine Dieselfahrzeuge in sauberes
Gewand zu stecken versuchte. Einer der
größten Industrieskandale, die Deutschland
und die Welt je gehen hat, war damit
perfekt. 28 Milliarden Euro hat er
VW bislang gekostet. Viele Unternehmen
gäbe es nach solchen Strafzahlungen
gar nicht mehr, doch die Wolfsburger –
auch wenn in Sachen Dieselgate noch
lange nicht über den Berg – haben es
tatsächlich geschafft aus größter Not die
berühmte Tugend zu machen. Mitten in
einer wahrhaft lebensbedrohlichen Lage
22 BÖRSE am Sonntag · 05/19
Aufbäumen scheint schmal.
haben sich die Wolfsburger zu Entscheidungen
durchgerungen, die mit Blick auf
den unter Martin Winterkorns eiserner
Führung lange Zeit als eher konservativ
geltenden Konzern wahrhaft revolutionär
erscheinen.
Volkswagen überall
Volkswagen präsentiert sich heute, knapp
dreieinhalb Jahre später, und mit Herbert
Diess als neuem Vorstandschef, im
gereizten Raubtiermodus. Auch wenn
selbst verursacht, scheinen die öffentlichen
Prügel infolge des Dieselskandals
Spuren hinterlassen zu haben. In Wolfsburg
will man es all seinen Kritikern
und Nörglern, all denen, die VW bereits
abzuschreiben versuchten und die
den Niedersachsen die große, radikale
Mobilitätswende nicht zutrauen mochten,
jetzt erst recht zeigen und beweisen.